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30.10.2009
Neue Regierung – aber eine neue Politik?
Dies ist eine neue Regierung – aber so ganz neu auch wieder nicht. Die Kanzlerin und alle CDU-Minister bleiben, ein paar gelbe kommen hinzu. Ein wirklicher Neuanfang sähe anders aus.
Ebenso fällt auf, dass Schwarz-Gelb keineswegs Schluss macht mit so zweifelhaften schwarz-roten Errungenschaften wie dem Mindestlohn. Auch die „Reichensteuer“, von der SPD einst durchgesetzt, um überdurchschnittliche Leistung abzustrafen, bleibt. Und für Hartz-IV-Empfänger wird das so genannte Schonvermögen – aus gutem Grund – verdreifacht. Statt einer sozialen Eiszeit steht uns also eher eine Politik der kleinen Korrekturen ins Haus.
Ohnehin fällt auf, dass der Koalitionsvertrag aus zwei Teilen besteht: Da gibt es sehr konkrete Aussagen zu solchen Maßnahmen, die bei den Wählern sicherlich gut ankommen: Mehr Geld für Familien zum Beispiel, großzügigere Regelungen bei Hartz IV oder eine Ausweitung der Stipendien für Studenten.
Vieles andere bleibt dagegen im Ungefähren. Das gilt für die Neuordnung des Gesundheitswesens wie der Pflegeversicherung; das trifft ebenso für das „einfachere und gerechtere“ Steuersystem zu, das Herzstück des liberalen Wahlkampfprogramms. Auch in der Energiepolitik ist offen, wie der Beitrag der „Brückentechnologie“ Kernkraft zu einem neuen Energiezeitalter konkret aussehen soll.
Man wird den Verdacht nicht los, dass CDU/CSU und FDP manches vorhaben, was sie jetzt nicht so deutlich sagen wollen. Der Grund: Im Mai wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Sollte sich Schwarz-Gelb dort nicht behaupten können, ginge auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag verloren. Der Koalitionsvertrag sollte deshalb die Überschrift „Agenda Mai 2010“ tragen.
Sicher ist: Wir können im Gesundheitswesen nicht so weiter machen, wie bisher. Wir können nicht die Facharbeiter durch immer höhere Abzüge bestrafen, sobald ihr Einkommen etwas steigt. Und wir können in der Pflegeversicherung nicht sehend Auges in ein absehbares riesiges Defizit stolpern.
Auf all das (und vieles mehr) gibt der Koalitionsvertrag noch keine klare Antwort. Deshalb wissen wir nur eines: Wir haben eine andere Regierung, aber keine grundlegend andere Politik – jedenfalls noch nicht.
Aus: SuperIllu Nr. 45 / 2009 vom 29.10.2009
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