09.03.2009

„Bye-bye, Bundesrepublik, Guten Morgen Linksrepublik“

Müller-Voggs Drehbuch für die rot-rot-grüne Wende

Hugo Müller-Vogg ist einer der angesehensten konservativen Publizisten in Deutschland. Er war langjähriger Herausgeber der FAZ und ist heute als Kommentator für N24 sowie als Kolumnist für BILD tätig. In seinem aktuellen Buch beschreibt er das Drehbuch für die rot-rot-grüne Wende. Es handelt sich um eine Fiktion, jedoch mit sehr realem Hintergrund. Obwohl das Thema eigentlich traurig ist, ist das Buch dennoch amüsant zu lesen, weil Müller-Vogg die entnervenden Politiker-Phrasen von Müntefering, Gysi, Roth, Merkel und anderen geradezu perfekt beherrscht. So klingen alle Verlautbarungen und Dialoge wirklich echt, obwohl sie erfunden sind.

Das Buch beginnt am 27. September, dem Tag der Bundestagswahl. CDU/CSU und FDP verfehlen ihr Wahlziel und erreichen zusammen keine Mehrheit. Natürlich reicht es auch für Rot-Grün alleine nicht. Die SPD schließt zwar in Thüringen, in Brandenburg und im Saarland Koalitionen mit der Linkspartei, zögert jedoch, dies auf Bundesebene zu tun, weil sie vor der Wahl immer wieder versichert hat, im Bund werde es keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei geben. Schließlich kommt es zu einer Neuauflage der Großen Koalition mit Angela Merkel an der Spitze.

Etwa ein Jahr nach der Wahl, so das Szenario des Buches, provoziert die SPD einen Eklat, zieht ihre Minister zurück und schmiedet ein Bündnis mit Linkspartei und Grünen. Der Autor zeigt, wie weitgehend die programmatischen Übereinstimmungen zwischen den drei Parteien sind. Er beschreibt die Koalitionsvereinbarung zwischen den drei Linksparteien und stützt sich dabei auf eine eingehende Analyse der programmatischen Aussagen.

Die steuerpolitische Einigung sieht beispielsweise so aus: Der Spitzensteuersatz wird erhöht und greift bereits ab einem zu versteuernden Einkommen von 60.000/120.000 Euro (Ledige/Verheiratete). Die Vermögensteuer wird wieder eingeführt und bei der Erbschaftsteuer werden Freibeträge gesenkt und die Besteuerung bei der Vererbung von Betriebsvermögen verschärft. In der Wirtschaftspolitik einigen sich die Parteien auf einen gesetzlichen Mindestlohn, der sukzessive angehoben werden soll, die Regelsätze für Hartz IV-Empfänger werden erhöht. Zugleich wird die gesetzliche Begrenzung von Managergehältern beschlossen. Schließlich wird die so genannte Bürgerversicherung eingeführt und alle Beamten und Selbstständigen werden in die gesetzliche Rentenversicherung gezwungen.

Müller-Vogg hat all das nicht etwa frei erfunden, sondern er hat in akribischer Arbeit Programme und Verlautbarungen der Parteien auf Übereinstimmungen abgeklopft. Diese Übereinstimmungen legten es nahe, dass die Parteien sich schließlich nach einer gewissen Schamfrist zusammentun würden.

Den Beteuerungen der SPD, auf Bundesebene werde es keine Zusammenarbeit geben, glaubt er nicht. Er erinnert daran, dass es nach der Wiedervereinigung zunächst geheißen habe, man werde niemals mit der PDS zusammenarbeiten. Schließlich gab es dann aber bereits 1994 die Duldung der rot-grünen Minderheitsregierung durch die PDS in Sachsen-Anhalt. Danach lautete das Versprechen „nur in den neuen Ländern“ werde man mit der PDS zusammenarbeiten, was die SPD aber 2001 nicht daran hinderte, in dem nach Bevölkerungszahl und Fläche überwiegend „alten“ Land Berlin mit der PDS eine Regierung zu bilden. Schließlich wurde Anfang 2009 der Wortbruch der hessischen SPD von den höchsten Gremien der Partei sanktioniert. Seitdem gilt als offizielle Parole: In den Ländern geht alles, im Bundes nichts.
Man mag ergänzen: Das Verhältnis zu den Grünen entwickelte sich in ähnlicher Weise. Nachdem der damalige hessische SPD-Ministerpräsident Holger Börner erklärt hatte, Leuten wie den Grünen habe man früher auf dem Bau mit der Dachlatte auf den Kopf gehauen, werde aber bestimmt nicht mit solchen Leuten zusammenarbeiten, schmiedete er kurz danach die erste rot-grüne Koalition auf Landesebene. Danach hieß es, man werde nur auf Landesebene mit den Grünen zusammenarbeiten, bestimmt jedoch nicht auf Bundesebene – um es dann bei erster Gelegenheit doch zu tun.

Wie realistisch also ist das Szenario, das Müller-Vogg in seinem Buch zeichnet? Es beginnt jetzt ein Wettlauf zwischen der Krise und Angela Merkel. Die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit geht laut aktueller Umfragen bereits zurück. Bis zu den Wahlen ist es noch ein langer Weg. Obwohl Union und FDP derzeit noch vorne liegen, muss das nicht so bleiben.

Zwar wäre eine Regierung von CDU und FDP in dieser Situation mit Sicherheit das Beste für unser Land, aber ich weiß nicht, ob man sich einen solchen Wahlausgang wirklich wünschen soll. Denn wenn die Krise dann mit voller Wucht die Menschen trifft, würden davon SPD und Linkspartei in der Opposition massiv profitieren.

Vor vier Jahren habe ich bereits eine Wette abgeschlossen, dass es 2009 zu einer Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei kommen werde. Natürlich hatte ich gehofft, die Wette zu verlieren und hoffe dies noch immer. Wenn der Kelch 2009 noch einmal an uns vorübergeht, dann heißt dies aber nicht, dass es nicht in den nächsten Jahren eine rot-rot-grüne Regierung geben wird. Ein denkbares Szenario: Bei den Wahlen reicht es nicht für eine Koalition aus CDU/CSU und FDP. Es kommt zu einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP oder – wie Müller-Vogg vermutet – zur Fortsetzung einer Großen Koalition. Aber mitten in der Legislaturperiode wechselt dann die SPD den Partner – sie provoziert einen Bruch mit der FDP bzw. der CDU, der sie soziale Kälte vorwirft, und verbündet sich zusammen mit den Grünen mit der Linkspartei. Dass es früher oder später zu einer rot-rot-grünen Koalition kommen wird, halte ich für fast sicher. Warum?

Die SPD will lieber den Kanzler stellen als in der Opposition zu sein. „Opposition ist Mist“, so lautet bekanntlich das Credo von Müntefering. Die SPD wird jedoch die CDU/CSU kaum überholen können, weil sie sich das linke Stimmenpotenzial mit zwei anderen Parteien teilen muss. Will die SPD den Kanzler stellen, bleibt ihr also nur entweder eine Koalition mit Grünen und FDP oder eine mit den Grünen und der Linkspartei. Die Übereinstimmungen mit der Linkspartei sind jedoch sehr viel größer als die mit der als „marktradikal“ diffamierten FDP. Sozialdemokraten alten Typus, die ernsthafte Probleme mit einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei haben, so wie etwa Wolfgang Clement, hat man aus der Partei gedrängt. Die machtpolitischen Überlegungen in der SPD auf der einen und die ideologischen Affinitäten auf der anderen Seite zeigen in die gleiche Richtung, nämlich zu einem rot-rot-grünen Bündnis.
Was würde es für die Immobilienwirtschaft bedeuten, wenn das von Müller-Vogg und mir für wahrscheinlich gehaltene Szenario Wirklichkeit würde? Die Furcht vor einer Machtübernahme von Rot-Rot-Grün könnte bei Besserverdienenden und Vermögenden zu einem massiven Kapitaltransfer ins Ausland führen, wovon geschlossene Auslandsimmobilienfonds – insbesondere US-Immobilienfonds – erheblich profitieren würden. Das Geld ist dann sozusagen der Vorbote, dem man selbst zu gegebener Zeit folgen wird. Die Immobilienpreise in Deutschland würden dagegen sinken, weil sich Vermögende nicht langfristig mit ihrem Kapital in Deutschland binden wollen. Zudem würde die Attraktivität des Immobilienstandortes Deutschland als Investitionsziel für ausländische Investoren massiv nachlassen.
Ich hoffe, Müller-Vogg und ich behalten mit unserem Szenario unrecht. Ich selbst habe bereits vor 15 Jahren, im Jahre 1994, in meinem damals erschienenen Buch „Wohin treibt unsere Republik?“ davor gewarnt, dass langfristig SPD, Grüne und PDS eine Koalition bilden werden – was damals fast alle Beobachter für vollkommen absurd hielten. „Ein Wahlsieg der vereinten Linken würde aber nicht zu einer anderen Regierung führen, sondern zu einer anderen Republik“, so warnte ich in diesem Buch und prägte den Begriff einer „DDR light“, der inzwischen zum geflügelten Wort geworden ist. Müller-Vogg schreibt in seinem Buch, am Tag nach der Regierungsbildung von rot-rot-grün laute die Überschrift von BILD: „Bye-bye, Bundesrepublik. Guten Morgen Linksrepublik.“


Aus: Immobilien-News der Woche (10.KW), Dr. ZitelmannPB. GmbH, 09.03.2009


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