03.05.2024

Beim Mindestlohn rühren SPD und Grüne Gift für den Standort Deutschland an

Die Wirtschaft lahmt, die künftige Energieversorgung ist unsicher, die Digitalisierung kommt nicht voran. In der Politik – jedenfalls bei den linken Parteien – dominiert zurzeit jedoch ein anderes Thema: der Mindestlohn.

Genaugenommen geht die Lohnuntergrenze, die kein Arbeitgeber unterschreiten darf, die Politik gar nichts an. Denn dafür ist die Mindestlohnkommission zuständig, paritätisch von Arbeitgebern und Gewerkschaften besetzt mit einem neutralen Vorsitzenden.

SPD und Grüne hätten gerne das letzte Wort beim Mindestlohn

Diese Kommission ist 2014 von der Großen Koalition geschaffen worden. Die CDU/CSU wollte verhindern, dass über die Mindestentlohnung im Kabinett oder im Parlament entschieden wird. Doch SPD und Grünen wäre es schon immer lieber gewesen, die Politik habe hier das letzte Wort.

Kommission hin, Kommission her: Die SPD machte im Bundestagswahlkampf 2021 eine Mindestlohnerhöhung von damals 9,60 Euro auf 12 Euro in der Stunde zum zentralen Wahlkampfthema. Das geltende Gesetz interessierte den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz herzlich wenig.

Die SPD hatte das Thema Mindestlohn so sehr betont, dass ein Koalitionsvertrag ohne die 12 Euro unvorstellbar war. Also machten die Ampel-Partner mit: Die Grünen freudig, die FDP zähneknirschend. Allerdings taten SPD und Grüne so, als sollte der direkte Eingriff der Politik in die Lohnfindung ein einmaliger Akt bleiben.

So heißt es im Koalitionsvertrag: Nach der „einmaligen Anpassung auf 12 Euro“ werde dann „die unabhängige Mindestlohnkommission über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden.“

Das tat die Kommission auch. Sie beschloss im Juni 2023, den Mindestlohn zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro und zum 1. Januar 2025 auf 12,81 Euro zu erhöhen.

Allerdings wurden die Gewerkschaftsvertreter in der Kommission überstimmt: von den Arbeitgebern und der Vorsitzenden Christiane Schönefeld, bis 2022 im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Seitdem reißen die Forderungen von links, die Regierung müsse hier eingreifen, nicht ab.

Lohnfindung nach parteipolitischem Kalkül

SPD, Grüne und Gewerkschaften sind sich einig: Der Mindestlohn soll 2025 auf 14 oder gar 15 Euro steigen. Die Kommission soll ausgeschaltet, die Lohnpolitik parteipolitisch instrumentalisiert werden.

Schützenhilfe bekam dieses Lager jetzt von dem Wirtschaftsweisen Achim Truger. Der plädiert für „mindestens 14 Euro“. Was nicht überrascht: Truger ist im Sachverständigenrat der Mann der Gewerkschaften. Der Wirtschaftswissenschaftler meint, der Arbeitsmarkt könne eine solche Lohnerhöhung „gut verkraften“. Darauf kommt es aber nur am Rande an.

Die viel wichtigere Frage ist: Kann unsere Volkswirtschaft Lohnfindung nach parteipolitischem Kalkül auf Dauer verkraften? Denn eine Anhebung der Lohnuntergrenze führt zwangsläufig zu einer Verschiebung der Lohnskala nach oben.

Das liegt in der Logik des Systems: Wer bisher 14 Euro verdient hat, wird folglich auf eine entsprechende Erhöhung pochen. Die Gewerkschaften werden das in der nächsten Tarifrunde auch durchsetzen. Das Wahlgeschenk des Olaf Scholz führt also dazu, dass schon die kommenden Wahlkämpfe um den Mindestlohn geführt werden. Die Bürger sollen entscheiden, was andere – in diesem Fall die Arbeitgeber – zu zahlen haben.

Das parteipolitische Kalkül liegt auf der Hand: SPD und Grüne wollen sich als Parteien mit sozialem Gewissen präsentieren. Sie wollen damit auch von ihrer mäßig erfolgreichen Regierungspolitik ablenken.

Der nächste Schritt: die Begrenzung der Managergehälter

Die Wähler, die ihnen dabei folgen, brauchen sich über die Folgen keine Gedanken zu machen. Die höheren Arbeitskosten haben schließlich die Unternehmen zu stemmen.

Man braucht nicht allzu viel Phantasie, um sich die nächste Stufe zur Politisierung der Lohn- und Gehaltsfindung vorzustellen. Nach dem Zugriff des Staates auf die Lohnuntergrenze folgt dann die Begrenzung der Managergehälter.

Die Bundestagfaktionen von SPD und Grünen haben schon vor einigen Jahren Pläne vorgelegt, wie der Staat Managergehälter deckeln könnte. Das ginge allerdings nur indirekt, weil Unternehmen selbst entscheiden, wie viel ihnen die Arbeit ihrer Top-Leute wert ist.

Der linke Trick, um zu diesem Ziel zu kommen: Aktiengesellschaften sollen nur Gehälter bis 500.000 Euro als Kosten von der Steuer absetzen können. Die Unternehmen müssten also entweder Managergehälter kürzen oder Beträge über 500.000 Euro aus ihren Gewinnen zahlen. Das würde richtig teuer.

Selbst SPD und Grüne beschwören in ihren Sonntagsreden die Tarifaufautonomie. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen über Löhne, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen frei entscheiden können.

Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland

Doch engt die Politik die Entscheidungsfreiheit der Tarifpartner ständig ein. Die Gewerkschaften stört das nicht, weil jede Mindestlohnerhöhung auch die übrigen Bezüge nach oben treibt.

Falls die Parteien links der Mitte mit der Politisierung der Lohnfindung Erfolg haben, wird es nicht bei einer ständig angehobenen Lohnuntergrenze und der indirekten Deckelung von Spitzengehältern bleiben. Nach rot-grüner Logik läge es nahe, noch mehr Einzelheiten des Arbeitslebens im politischen Prozess zu entscheiden, das heißt in die Hände der Wähler zu legen: Untergrenzen, Obergrenzen, Mindeststandards – bis hin zur freien Wahl der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich.

Eine solche Politisierung der Arbeitsbedingungen wäre Wasser auf die Mühlen linker Populisten – und Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 3. Mai 2024)


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