27.04.2024

Jung-Grüne fordern weniger Arbeit - und werden von Habeck abgewatscht

Von Wachstumsraten wie in den 1950er und 1960er-Jahren, wie Bundeskanzler Olaf Scholz sie als Ergebnis der Transformationspolitik der Wirtschaft angekündigt hat, kann natürlich keine Rede sein. Aber immerhin soll das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr 0,3 Prozent betragen – statt der ursprünglich prognostizierten 0,2 Prozent.

Dass der Wirtschaftsminister angesichts der neuen Zahlen nicht in Jubel ausbrach, war angebracht. Denn sehr genau sind Konjunkturprognosen zwei Stellen hinter dem Komma ohnehin nicht.

Habeck: Staat soll mehr Anreize für mehr Arbeit setzen

Zudem leuchtet das Licht am Ende des Tunnels eher matt. Denn Deutschland bleibt selbst bei einem Plus von 0,3 Prozent das Schlusslicht unter den großen Wirtschaftsnationen. Habeck hat also völlig recht, wenn er sagt, die Anhebung der Prognose sei „kein Grund, nicht weiter hart an der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu arbeiten“. Fragt sich nur, was die Regierung konkret tun will.

Habeck sieht das so: „Wir müssen eine neue wirtschaftliche Dynamik ermöglichen, Innovationen stärken, unnötige Bürokratie abbauen und den Arbeitskräftemangel entschlossen angehen.“ Und: Der Staat solle Anreize setzen, „damit mehr Menschen freiwillig mehr und länger arbeiten“.

Grüne Jugend wettert gegen die Mehrarbeit

Freiwillig mehr und länger arbeiten? Das klingt ja fast nach FDP pur. Vor allem dürfte es auf dem linken Flügel der Grünen nicht gut ankommen, schon gar nicht bei der Grünen Jugend. Die versteht sich nämlich selbst als „linken Jugendverband“ und fordert „ein grundlegend anderes Wirtschaftssystem“.

Wie das aussehen könnte, beschreiben die beiden Bundessprecherinnen Svenja Appuhn und Katharina Stolla ständig in Talkshows. Mehr und länger zu arbeiten, halten sie für keine gute Idee – ganz im Gegenteil.

Appuhn hat eine klare Vorstellung von der richtigen Wirtschaftspolitik: „endlich Schluss zu machen mit dieser wirklich ideologisch verblendeten Schuldenbremse oder – das ist mein Favorit – die Superreichen zu besteuern.“ Die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren abzuschaffen, um so dem Fachkräftemangel zu begegnen, lehnt sie rigoros ab.

Noch rigoroser äußerts sich Co-Sprecherin Katharina Stolle. Sie propagiert die Vier-Tage-Woche, selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich.

Mehr arbeiten? Stolle hält Lebensqualität und seelische Gesundheit für wichtiger. „Dass man keine Lust mehr hat, viel zu arbeiten, finde ich total vernünftig.“

Und: „Wofür soll ich mich in dieser kaputten Welt kaputt arbeiten und habe nicht mal die Aussicht auf eine gute und sichere Rente?“ Das dürfte in der Generation Z besser ankommen als bei denen, die als Steuerzahler die Ausbildung der Jungen finanzieren.

Jobcenter: Bürgergeld ist die Bremse

Die Rezepte der Grünen Jugend sind so links, dass sie auch der Jugendverband der Linkspartei unterschreiben könnte: höhere Steuern auf Erbschaften, Vermögen und Schenkungen sowie Rentenkürzungen bei den Beziehern hoher Renten.

Mit seinen kurzen Einlassungen zu freiwilliger Mehrarbeit hat Habeck der eigenen Parteijugend klargemacht, was er von ihrem Drang zu kürzeren Arbeitszeiten hält, nämlich nichts. Ob das die beiden Sprecherinnen beeindrucken wird? Eher nicht.

Der Wirtschaftsminister sollte hingegen ernst nehmen, was eine Befragung von fast 1900 Beschäftigten in sieben nordrhein-westfälischen Jobcentern ergeben hat. Die sehen nämlich im Bürgergeld eine Bremse für eine Arbeitsaufnahme.

Folglich bewertet die große Mehrheit derer, die täglich mit den Empfängern von Bürgergeld zu tun haben, die von der Ampel beschlossenen Änderungen gegenüber Hartz IV negativ. Seit der Reform seien Bürgergeldempfänger weniger motiviert und wirkten kaum mit, aus ihrer Hilfsbedürftigkeit herauszukommen.

„Wir brauchen mehr Hände und Köpfe“, heißt es in Habecks Prognose. Er denkt da vor allem an eine freiwillige Weiterarbeit nach Erreichen der Altersgrenze. Doch auch mehr Menschen zum Wechsel vom Bürgergeld zu einem Arbeitseinkommen zu bewegen, würde ebenfalls helfen.

Und ein Grundkurs in Ökonomie für grüne Nachwuchspolitiker könnte auch nicht schaden.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 27. April 2024)


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