29.04.2024

FDP-Bundesparteitag: Sagen, was Sache ist

Die deutsche Wirtschaft schwächelt, der Exportweltmeister von einst hat an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, deutsche Unternehmen zieht es vermehrt ins Ausland. Das weiß eigentlich jeder. Nur zu einem scheint diese bittere Erkenntnis bisher nicht vorgedrungen zu sein - zum Kanzler. Olaf Scholz hat seine ebenso realitätsferne wie unsinnige Behauptung, uns stünden Wachstumsraten wie in den 1950er- und 1960er-Jahren ins Haus, also jährlich 6 bis 8 Prozent, in letzter Zeit nicht wiederholt. Doch einer nüchternen Lagebeurteilung verweigern sich die Sozialdemokraten entschieden, jedenfalls deutlicher als einige Grüne.

Die 12 FDP-Punkte für eine Wirtschaftswende werden so nicht umgesetzt werden, jedenfalls nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Da nützte der FDP auch nicht die Drohung mit einem Ende der „Ampelei“. Die Schnittmengen zwischen den drei Koalitionsparteien sind einfach zu klein, um gemeinsam das Notwendige zu tun.

Dennoch tut die FDP gut daran, aus Sicht von SPD und Grünen so Unerhörtes wie das Ende der Rente mit 63 oder deutlich härtere Sanktionen gegen arbeitsunwillige Bürgergeldbezieher zu fordern. Einer Regierungspartei ist es nicht untersagt, das zu betonen, was sie für richtig und unerlässlich hält. Von diesem Recht machen auch SPD und Grüne ständig Gebrauch. Wenn sie nach Steuererhöhungen oder der Wiederbelebung der Vermögenssteuer rufen, wenn sie eine Kindergrundsicherung einführen wollen, die es für viele Eltern attraktiv macht, das Arbeiten einzustellen, dann verstoßen sie nicht gegen die Koalitionsvertrag. In dem ist nur festgelegt, auf was sich die Koalitionäre verständigt haben. Von Denkverboten ist dort nicht die Rede.

Die FDP steht quer zum Zeitgeist

Die FDP hat auf ihrem Parteitag bekräftig, was sie sein will: eine Partei, die den Wirtschaftsstandort stärkt, weil „ohne Moos“ bekanntlich „nix los“ ist. Ohne Wachstum keine sprudelnden Steuereinnahmen. Und ohne mehr Geld für den Fiskus lassen sich weder die dringend notwendigen Investitionen in Sicherheit und Infrastruktur finanzieren noch wünschenswerte soziale oder gesellschaftspolitische Projekte. Selbst rote und grüne Verfechter einer noch höheren Verschuldung müssten wissen, dass ein wachsender Schuldendienst ohne die entsprechenden Steuereinnahmen nicht zu stemmen wäre.

Die FDP hat sich im ehemaligen Berliner Postbahnhof optisch als modern und dynamisch präsentiert. Inhaltlich steht sie quer zum Zeitgeist: Förderung der Mehrarbeit statt Förderung der Work-Life-Balance-Illusion, Förderung von Eigenverantwortung statt des Ausbaus des üppigen Versorgungsstaats, vor allem aber die Förderung der Einstellung, dass dieses Land besser werden muss, um nicht noch weiter abgehängt zu werden.

Das Risiko der FDP besteht nicht in einem Bruch der Ampel

Es ist dies das Alleinstellungsmerkmal der Freien Demokraten in der politischen Landschaft: Keine andere Partei setzt so konsequent auf Markt und Wettbewerb wie sie - jedenfalls programmatisch. Politisch hat die FDP in den zweieinhalb Jahren rot-grün-gelben Regierens mehr als einmal ihren eigenen Prinzipien zuwidergehandelt. Der verfassungswidrige Nachtragshaushalt war wohl 2021 der schlimmste Sündenfall. Auch sich auf eine Haltegrenze von 48 Prozent bei der Rente einzulassen, widersprach jeglicher Vernunft.

Die FDP geht mit ihren 12 Wirtschaftswende-Punkten ein hohes Risiko ein: Sie muss ich daran messen lassen, wohl wissend, dass sie in der derzeitigen Koalition davon vieles nicht umsetzen und manche kleine Korrektur am Regierungskurs nur als ersten Schritt verkaufen kann. Selbst die CDU/CSU würde im wenig wahrscheinlichen Fall einer schwarz-gelben Koalition nicht alle von der FDP vorgeschlagenen Abstriche an lieb gewonnenen sozialen Errungenschaften mittragen.

Das Risko der FDP besteht nicht in erster Linie in einem Bruch der Ampel-Koalition. Die nächste Wahl wird - wann immer diese stattfindet - zum Test, ob wenigstens noch 5 Prozent der Wähler erkennen, dass dieses Land eine wirtschafts- und sozialpolitische Wende braucht. Dass dies keinesfalls sicher ist, sagt mehr über das Land als über die FDP.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 29. April 2024)


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