23.04.2024

Bundestagswahlrecht: Das Werk der Ampel und Aiwangers möglicher Beitrag

Werden die Wähler die nächste Bundestagswahl entscheiden? Oder wird das Bundesverfassungsgericht das neue rot-grün-gelbe Wahlsystem passieren lassen? Dann könnten viele bayerischen Wähler faktisch von ihrem Recht zur Mitbestimmung ausgeschlossen werden. Das Ampel-Wahlrecht verfolgt nämlich ein löbliches und ein höchst undemokratisches Ziel: Die Begrenzung der Zahl der Abgeordneten auf 630. Und nebenbei die Eliminierung von CSU und Linkspartei aus dem Bundestag.

Dieses neue Wahlrecht enthält mancherlei Merkwürdigkeiten. Dazu zählt, dass Abgeordnete, die in ihrem Wahlkreis die meisten Stimmen erhalten, gleichwohl bei der Mandatsverteilung leer ausgehen können. Viel gravierender ist jedoch der Wegfall der sogenannten Grundmandatsklausel. Die hebt die 5-Prozent-Hürde auf, falls eine Partei mindestens drei Wahlkreise direkt gewinnt. Das hat der Linken 2021 trotz lediglich 4,9 Prozent Zweitstimmen den Einzug ins Parlament gesichert, und zwar in Fraktionsstärke.

Die Grundmandatsklausel hat nach der Abspaltung des „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“ mit Blick auf die Linke an Bedeutung verloren. Die umbenannte SED ist nämlich weit davon entfernt, auch nur eines ihrer drei Direktmandate zu verteidigen. Dafür macht ihr das BSW zu viele Wähler abspenstig. Dagegen bringt das neue Wahlrecht, sofern Karlsruhe nicht eingreift, die CSU in existenzielle Nöte. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die CSU fast alle bayerischen Wahlkreise gewinnt, mit ihrem Zweitstimmenanteil im Bund jedoch unter 5 Prozent bleibt - und bei der Mandatsverteilung leer ausgeht.

Die Ampel setzt das Wahlrecht als Waffe gegen die CSU ein

In diesem Fall gäbe es seit 1949 den ersten Bundestag ohne CSU-Abgeordnete und ohne CDU/CSU-Bundesfraktion. Es bliebe nur noch eine um rund 25 Prozent kleinere CDU-Fraktion. So unrealistisch, wie es klingen mag, ist das nichgt. 2021 entsprachen die 31,7 Prozent CSU-Zweitsummen gerade mal 5,2 Prozent im Bund. Vier Jahre zuvor hatte es die CSU in Bayern noch auf 38,8 Prozent gebracht, was 6,2 Prozent auf Bundesebene entsprach.

Dass die Ampel das Wahlrecht als Waffe gegen die CSU einsetzen will, ist eine Sache. Vergrößert wird die existentielle Bedrohung der CSU als Partei mit bundesweitem Einfluss zudem durch ihren Partner in der heimischen Bayern-Koalition: die Freien Wähler (FW). Ihr Vorsitzender Hubert Aiwanger will die Freien Wähler 2025 in den Bundestag bringen und selbst nach Berlin wechseln. Sein Traumjob wäre Bundeswirtschaftsminister in einer bürgerlichen Koalition, wie er kürzlich dem Deutschlandfunk verriet.

Die Freien Wähler waren 2017 im Bund mit bescheidenen 2,7 Prozent an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. In Bayern hatten sie es immerhin auf 7,5 Prozent gebracht und so der CSU ihr bisher schlechtestes Bundestagswahlergebnis beschert. 2025 könnte Aiwanger in Bayern deutlich mehr Stimmen holen als 2021, was zu einem erheblichen Teil auf Kosten der CSU ginge. Es klingt geradezu absurd: Aiwanger möchte in Berlin zusammen mit der CSU regieren, riskiert aber, das Werk der Ampel zu vollenden und die CSU aus dem Bundestag zu werfen.

Karlsruhe hat der Ampel bereits ihre verfassungswidrige Finanzpolitik untersagt

Sollte beides eintreten - die Freien Wähler im Bund über und die CSU unter 5 Prozent - würde das die CSU in den Grundfesten erschüttern. Es wären dann nicht mehr die Strauß-Enkel und Stoiber-Söhne, die im fernen Berlin für Bayern viel Geld herausholen. Das würde dann Hubert Aiwanger machen, auch wenn eine FW-Fraktion im Bundestag nicht als lupenreine bayerische Interessenvertretung auftreten könnte. Schließlich würden ihr auch FW-Abgeordnete aus anderen Bundesländern angehören.

Im Bundestagswahlkampf in Bayern ergäbe sich unter diesen Umständen eine merkwürdige Konstellation: Die CSU würde mit dem Argument um Stimmen kämpfen, die Ampel-Parteien wollten mit ihrem Wahlrecht gezielt und bewusst den bayerischen Einfluss auf die Bundespolitik reduzieren. Aiwanger wiederum würde dafür werben, die Vertretung bayerischer Interessen nicht allein der CSU zu überlassen und nebenbei seinen Beitrag dazu leisten, die CSU aus dem Bundestag werfen.

Dies alles setzt ein bestimmtes Wahlverhalten der Bayern voraus. Doch der Wille der Bürger schlägt sich nicht zwangsläufig in einer entsprechenden Zusammensetzung des Parlaments nieder, wenn die Spielregeln einen fairen Wettbewerb nicht mehr zulassen. Karlsruhe hat der Ampel bereits ihre verfassungswidrige Finanzpolitik untersagt. Ob die Richter in den roten Roben den von SPD, Grünen und FDP angestrebten Kollateralnutzen zugunsten der Regierungsparteien stoppen? Darauf gibt es nur eine bayerische Antwort: Schaun mer mal.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 23. April 2024)


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