25.01.2015

Mehr Rauch als Feuer

Die selbst ernannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" sind ein merkwürdiger Verein. Unter ihren führenden Leuten befinden sich zwielichtige Figuren, Rechtsradikale und völlig Unbekannte. Ihre offiziellen Forderungen sind teilweise diskussionswürdig. Allerdings äußern sich manche Redner ausländerfeindlich und rassistisch, ebenso Demonstranten gegenüber Journalisten und auf Transparenten. Bei "Pegida"-Aufmärschen werden die Medien als von der Regierung gesteuerte "Lügenpresse" geschmäht. Dagegen wird ausgerechnet der Autokrat und Oberzensor Putin als Idol gefeiert. Kurzum: Diese "Pegida" samt ihrer zahlreichen lokalen Ablegern ist ein ziemlich wirrer Haufen. Staat kann man mit dieser Truppe nicht machen.

Gleichwohl ist nicht jeder Bürger, der diesen Wirrköpfen nachläuft, ein Neonazi. Zu den Demonstrationen in Dresden kommen auch viele, denen irgendwie die ganze Richtung nicht stimmt. Auch wenn diese Demonstranten mit ihren zum Teil dumpfen Parolen nicht gerade eine Bereicherung für unseren öffentlichen Diskurs darstellen, so ist es gleichwohl ihr gutes Recht, auch für Unsinniges und Widersprüchliches auf die Straße zu gehen. Das muss eine Demokratie aushalten.

Die Medien haben auf "Pegida" freilich reagiert, als stünde eine braune Macherhebung unmittelbar bevor. Jeden Montag wird die am Abend drohende Demonstration stündlich angekündigt wie eine drohende Sturmflut. Und jedes Mal, wenn Gegendemonstranten außerhalb Dresdens einen "Pegida"-Aufmarsch verhindern, feiern die Medien diese Beschneidung der vom Grundgesetz garantierten Demonstrationsfreiheit als Sieg der Demokratie.

In ihrem Furor haben die meisten Medien "Pegida" maßlos überschätzt und zudem übersehen, dass diese Protestbewegung ein lokales Phänomen ist. Außerhalb Dresdens bekommen die "Verteidiger des Abendlandes" nur mühsam ein paar hundert Demonstranten auf die Straße. Das ist eben nicht die schweigende Mehrheit, sondern eine verwirrte, frustrierte Minderheit von Zukurzgekommenen und Verlierern.

Man wird den Eindruck nicht los, dass sich in der "Pegida"-Berichterstattung das Weltbild der meisten Journalisten niederschlägt: Demonstrationen von Linken sind Belege für eine blühende Demokratie, Demonstrationen von Rechten dagegen eine Schande für Deutschland. Mögen die "Pegida"-Marschierer auch "Lügenpresse" skandieren: Ohne die tätige Hilfe dieser Medien säßen sie kaum beachtet in ihrer rechten Ecke.

Erstveröffentlichung: rundy – Informationsdienst für Medien, Nr. 1 vom 20. Januar 2015


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