19.07.2014

Was auch Amerikas Freunde ratlos macht

Vor dem WM-Finale waren sich alle sicher, dass "Wir" Weltmeister werden.Entsprechend optimistisch flogen auch die protokollarische Nummer 1 im Staat und die machtpolitische Nummer 1 gemeinsam zum Finale nach Rio: Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel. In Amerika wäre das nicht möglich. Dort müssen der Präsident und sein Vize stets getrennte Flugzeuge benutzen. Nun würde bei uns - im Falle eines Falles - nicht der Präsident die Kanzlerin vertreten oder umgekehrt. Es gab aber auch schon Flüge, auf denen die Kanzlerin vom halben Kabinett begleitet wurde. Im vereinten Deutschland gilt eben unverändert das rheinische Grundgesetz: "Et hätt noch emmer jut jejonge." Und es ist ja auch gut gegangen - beim 1:0 gegen Argentinien wie bei dem Flieger-Pärchen Gauck-Merkel. Auch wenn der Präsident auf dem Weg zur Siegerehrung sich mal schnell an der Kanzlerin vorbei drängelte - die Nummer 1 als erster Gratulant.

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Gar nicht gut steht es dagegen um das deutsch-amerikanische Verhältnis. Die unsägliche Schnüffelpraxis des US-Geheimdienstes NSA und (bisher) zwei enttarnte Doppelagenten, die als Zuträger für die amerikanische CIA beim Bundesnachrichtendienst und im Verteidigungsministerium tätig waren, macht inzwischen selbst eingefleischte Amerika-Freunde ratlos und wütend.

Geradezu verrückt ist die Reaktion Amerikas auf die Ausweisung des in der Berliner US-Botschaft tätigen obersten US-Geheimdienstlers: In Washington ist man offensichtlich beleidigt, dass Berlin dies öffentlich gemacht hat. Es ist in der Tat ein außergewöhnlicher Vorgang. Zuletzt hat Frankreich vor fast 20 Jahren vier CIA-Mitarbeiter ausgewiesen. Aber die Franzosen waren schon immer kritischer gegenüber den USA als die (West-)Deutschen.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Obwohl die Bundesrepublik vor knapp 60 Jahren wieder ihre volle Souveränität erlangt hat, meinen einige amerikanische Machtpolitiker, sie könnten sich immer noch aufführen wie Besatzer. Das belastet nicht nur das bilaterale Verhältnis. Er befördert auch den in den alten wie jungen Ländern zweifellos schwelenden Anti-Amerikanismus.

Bei allem Ärger über die Amerikaner: Wir sind bei der Terrorismus-Bekämpfung und anderen Fragen der Sicherheit auf die Zusammenarbeit mit ihnen stärker angewiesen als sie auf uns. Ohne die Mithilfe der Amerikaner hätten einige terroristische Anschläge nicht vereitelt werden können. Noch eines sollte nicht übersehen werden: Die gegen uns gerichtete ausgedehnte Spionagetätigkeit von Staaten wie Russland, China oder Iran ist für uns mit Sicherheit gefährlicher als der amerikanische Drang, möglichst alles zu wissen. Gleichwohl: Bespitzelung und "Freundschaft" passen nicht zusammen.

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Höchst gefährlich ist die Lage im Nahen Osten. Die Spirale der Gewalt droht zu einem Krieg zu führen. Israel verteidigt sein Existenzrecht mit bisweilen brutaler Härte. Aber es ist in erster Linie palästinensische Hamas, die einerseits die israelische Zivilbevölkerung terrorisiert und andererseits auf menschenverachtende Weise die eigenen Leute als lebende Schutzschilder gegen israelische Vergeltungsschläge missbraucht. Was die Hamas am meisten fürchtet, wäre eine friedliche Koexistenz von Israel und Palästina - ohne Terror, Vergeltung und Besatzung. Doch daran haben die vielen palästinensischen Extremisten kein Interesse - und die Minderheit extremistischer israelischer Siedler auch nicht.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 30/2014 vom 17. Juli.


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