10.03.2023

Habecks Heizungs-Hammer kommt für die Grünen zur denkbar schlechten Zeit

Bettina Jarasch, Manuela Rottmann und Theresia Bauer haben gleich mehrere Gemeinsamkeiten: Alle drei sind Politikerinnen der Grünen, alle drei wollten hoch hinaus und alle drei sind grandios gescheitert – nicht zuletzt an ihrer allzu großen Siegesgewissheit.

In Berlin war Jarasch so überzeugt, Regierende Bürgermeisterin werden zu können, dass sie einen ziemlich überheblichen Wahlkampf führte – fast ausschließlich adressiert an die Lastenfahrrad-fahrende, vegan lebende Prenzlauer-Berg-Klientel. Schließlich landeten sie und die Grünen auf Platz drei hinter CDU und SPD und damit voraussichtlich auch in der Opposition.

Rottmann und Bauer wollten beide Oberbürgermeisterin werden; Erstere vor einer Woche in Frankfurt, Letztere im November in Heidelberg. Beide waren so von sich und ihrem Wahlsieg überzeugt, dass sie ihre bisherigen Regierungsämter schon vor dem Wahltag niederlegten. Rottmann schied als Parlamentarische Staatssekretärin bei Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister Cem Özdemir (Grüne) aus, Bauer trat als baden-württembergische Wissenschaftsministerin zurück.

Von 25 Prozent sind die Grünen längst wieder entfernt

Doch Rottmann schaffte es in Frankfurt, wo die Grünen seit 2018 stärkste Partei sind, nicht einmal in die Stichwahl. Bauer wiederum hatte in der Grünen-Hochburg Heidelberg im entscheidenden zweiten Wahlgang gegen den parteilosen, von CDU und FDP unterstützen OB Eckart Würzner keine Chance. Ähnlich erging es in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt dem Grünen Christian Viering. Der wurde, nachdem er ziemlich hilflos durch den Wahlkampf gestolpert war, in der Stichwahl um das Amt des Stadtoberhaupts von dem parteilosen Nino Haase geradezu deklassiert.

In allen diesen Fällen haben zweifellos lokale Besonderheiten eine Rolle gespielt. Dennoch wird ein Trend deutlich: Die Grünen sind ziemlich brutal aus ihren Träumen von einem Durchmarsch auf allen Ebenen gerissen worden. Schon bei der Bundestagswahl 2021 waren sie mit 14,8 Prozent weit hinter den Prognosen der Meinungsforscher und ihren eigenen Erwartungen und zurückgeblieben.

Das Wahlergebnis redeten sich die Grünen damals schön, indem sie es allein auf die Pannen ihrer Spitzenkandidatin Annalena Baerbock zurückführten und in ihrer neuen Rolle als Regierungspartei schwelgten. Schon bald legten sie in den Umfragen wieder zu, weil Baerbock im Außenamt und Robert Habeck als Wirtschafts- und Klimaminister viele Bürger positiv überraschten. Von den 25 Prozent im Sommer letzten Jahres sind die Grünen inzwischen längst wieder deutlich entfernt. In der Sonntagsfrage rangieren sie zwischen 16 und 18 Prozent – und damit wieder hinter der SPD.

Der Grüne Glanz ist verblasst

Der grüne Glanz ist verblasst, seit die Grünen einerseits ständig mit der FDP im Clinch liegen, und andererseits Baerbock mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) außenpolitisch nicht harmoniert. Ihre „feministische Außenpolitik“ scheint außerhalb des grünen Spektrums nicht sonderlich attraktiv zu sein. Habeck wiederum erschreckt viele Bürger mit seinem Kampf gegen Autos mit Verbrenner-Motor und seinem Drang, neue Öl- und Gasheizungen möglichst schnell zu verbieten. Denn eines ist klar: Da kommen auf Mieter wie Vermieter Kosten in dreistelliger Milliarden-Höhe zu.

Eine Mehrheit findet es zudem unverständlich, dass die letzten Atommeiler in sechs Wochen endgültig vom Netz gehen müssen – ungeachtet aller energiepolitischen Schwierigkeiten. Dass es Habeck gelungen ist, Deutschland von russischem Erdgas unabhängig zu machen, ist bereits vergessen.

Viele Menschen ahnen, dass die Energiepolitik voller Risiken steckt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht ungleich langsamer voran als der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Niemand hat etwas gegen E-Autos. Doch glauben die meisten nicht, dass die Reichweiten in absehbarer Zeit groß genug und das Netz an Ladesäulen eng genug sein werden, so dass keine Einschränkungen der Mobilität zu befürchten sind.

Habeck verbaut sich die Chancen bei den anstehenden Landtagswahlen

Habecks neuester Preis-Hammer erhöht zweifellos nicht die Chancen der Grünen bei den drei in diesem Jahr noch anstehenden Landtagswahlen: am 14. Mai in Bremen, am 8. Oktober in Hessen und Bayern. Die Pläne von Verbraucherschutzminister Özdemir, die auf Kinder zugeschnittene Werbung für Süßigkeiten zu beschneiden, lässt die Grünen zudem wieder einmal als Verbotspartei erscheinen. Eltern, vor Wahlen als mündige Bürger hofiert, müssen den Eindruck gewinnen, die Grünen trauten ihnen eine gesunde Ernährung ihrer Kinder nicht zu.

In der Hansestadt, in der die Grünen zusammen mit SPD und Linkspartei regieren, liegen sie aktuell bei 19 Prozent und damit besser als bei der Wahl vor vier Jahren. Doch hier schnitten sie noch vor kurzem in Umfragen ebenfalls besser ab. An der Weser könnte sich Rot-Grün-Rot behaupten. In Bayern dagegen haben die Grünen keinerlei Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung. Die CSU setzt voll auf die Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern. Das dürfte den Umfragen zufolge auch möglich sein. Schwarz-Grün schließt CSU-Chef Markus Söder kategorisch aus.

Eine Ampel würde es bei einer heutigen Bundestagswahl nicht mehr geben

Vor nicht allzu langer Zeit machten sich die Grünen große Hoffnungen, nach Stuttgart auch in Wiesbaden den Regierungschef stellen. Dort wollten sie mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir die seit 1999 anhaltende CDU-Regentschaft in Hessen beenden. Ein grüner Sieg bei der OB-Wahl in der Finanzmetropole Frankfurt hätte da sicher für Rückenwind gesorgt.

Im vergangenen Jahr hatte sich noch ein Zweikampf zwischen dem seit Mai 2022 amtierenden Regierungschef Boris Rhein (CDU) und seinem grünen Vize Al-Wazir angedeutet. Inzwischen müssen die Grünen eher mit der SPD um Platz zwei kämpfen. Die setzt mit Spitzenkandidatin Nancy Faeser nämlich ebenfalls auf Sieg. Sollte Schwarz-Grün durch Rot-Grün abgelöst werden, wäre das aus grüner Sicht alles andere als ein Erfolg.

Im Bund hätte die Ampel hätte, wenn am Sonntag gewählt würde, keine Mehrheit mehr. Dabei liegen die Grünen, anders als SPD und FDP, immerhin noch über ihrem Wahlergebnis vom September 2021. Aber sie sind weit entfernt von ihrem eigentlichen Ziel, nämlich die SPD zu überholen und mit der CDU/CSU um Platz eins zu kämpfen. Wer regiert, also Entscheidungen trifft, löst eben nicht nur Begeisterung aus, sondern sorgt ebenfalls für Enttäuschungen. Habecks Preishammer droht nicht nur sehr viele Bürger zu treffen; er könnte auch grüne Hoffnungen plattmachen.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 10. März 2023)


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