26.11.2014 | FAZ

Lebenslüge Europas

„Die Gedankenlosigkeit jener Mitbürger, die in Hamburg, Berlin oder Stuttgart wegen geplanter Flüchtlingsunterkünfte um ihre Behaglichkeit fürchten, brachte der Bild-Kolumnist Hugo Müller-Vogg zum Ausdruck. Es sei nun einmal üblich geworden, gegen alles zu protestieren, was diese störe. Ob Flughäfen, Bahnhöfe, Altenheime oder eben Flüchtlingsunterkünfte, gegen alles werde protestiert. Dem ist zwar kaum zu widersprechen. Nur stört halt jenes notorisch gute Gewissen, das dabei zum Ausdruck kommt.

Alle waren sich darin einig, den wahren politischen Flüchtling „nach der Genfer Konvention“ aufnehmen zu wollen. Diese Figur ist die Lebenslüge Europas, weil er schon 1943 nicht mehr existierte. Wer daran festhält, wie Müller-Vogg oder Frauke Petry, AfD-Vorsitzende aus Sachsen, belügt erst sich selbst, anschließend sein Publikum. Das Ziel dieser Rhetorik ist auch ein anderes: Nämlich, wie Frau Petry, mit einem Lächeln und kaltem Herzen den sogenannten Wirtschaftsflüchtling in die Kulisse zu stellen. Dessen Anliegen verstehe man zwar, aber Deutschland sei halt nicht „das Sozialamt Europas“, so Müller-Vogg. Man müsse viel mehr, wie Kanada oder Australien, eine gesteuerte Zuwanderung einführen.“

Quelle: Frankfurter Allgemeine online vom 26. November 2014