30.01.2023

Scholz und seine Problemfrauen

Olaf Scholz hat ein Frauenproblem, genau betrachtet sogar ein dreifaches. Dabei geht es nicht um eher „weiche Themen“ wie die Geschlechterparität am Kabinettstisch. Da hat der selbsterklärte Feminist im Kanzleramt gute Karten, obwohl er im Verteidigungsressort die Pannenministerin Christine Lambrecht (SPD) gegen einen bewusst robust auftretenden Mann, nämlich Boris Pistorius (SPD), ausgewechselt hat.

Das Frauenproblem des Kanzlers ist schwerwiegender. Denn erstens geht es um inhaltliche Fragen. Zweitens kommen die Damen, die teilweise deutlich andere Ansichten vertreten als er, aus Ampel-Parteien: Seine eigene Parteivorsitzende Saskia Esken, die grüne Außenministerin Annalena Baerbock und die Verteidigungsexpertin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Ausgerechnet die SPD-Co-Vorsitzende Esken macht Scholz das Leben schwer

An die Alleingänge der Außenministerin und die ständige Kritik der Freien Demokratin an der Scholz’schen Zurückhaltung bei Waffenlieferungen an die Urkraine dürfte der Kanzler sich inzwischen gewohnt haben. Jetzt macht ausgerechnet die SPD-Co-Vorsitzende Esken ihm das Leben schwer. Während Scholz in Argentinien weilt, vermied Esken in der „ARD“ bei der Frage nach Kampfflugzeugen für Kiew eine eindeutige Aussage. „Es kommt ja ganz entscheidend darauf an, dass eben Deutschland und dass auch die Nato nicht Kriegspartei sind“, meinte sie. Deswegen sei die Regierung in diesen Fragen in sehr enger Abstimmung mit den US-Amerikanern.

Ein klares Nein klingt anders. Dabei hätte Scholz gerade von der Parteilinken Esken eine deutliche Unterstützung seiner Haltung erwartet. Die hatte er kürzlich im Bundestag so formuliert: „Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier.“

So war es nicht verwunderlich, dass Scholz von Buenos Aires aus Esken geradezu abwatschte. „Es ist eigenwillig, dass diese Debatte geführt wird. Mancher muss sich schon fragen: Warum stellt er die Frage, wo es doch darum geht, den Ukrainern zu helfen“, polterte der Kanzler. Es sei jetzt eine seriöse Debatte notwendig und nicht „ein Überbietungswettbewerb (...), bei dem vielleicht innenpolitische Motive statt der Unterstützung der Ukraine im Vordergrund stehen“.

Vielleicht wollte sich Esken auch mal auf einem anderen Feld als dem der Umverteilung profilieren Natürlich waren damit nicht zuletzt Sicherheitsexperten und Politiker von CDU/CSU gemeint, die nach den Kampfpanzern auch Kampfjets für die Ukraine fordern. Doch der „Kollateralschaden“, den Esken durch Scholz erlitt, war zweifellos bewusst einkalkuliert. Schließlich hatte sich der Kanzler, dessen Markenzeichen seine wortreiche Unverbindlichkeit ist, mehrfach und eindeutig gegen Kampfflieger ausgesprochen. Anders als beim „Leopard 2“, wo Scholz alles offengelassen hatte, bis er sich dann doch zu einem Ja durchrang.

In der Hauptstadt wird darüber gerätselt, was Esken mit ihren Äußerungen bezwecken will. Die Partei-Linke hatte bei Waffenlieferungen an die Ukraine sich bisher eher verhalten geäußert. Zudem ist die Sicherheitspolitik eigentlich das Arbeitsgebiet ihres Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil. Gut möglich, dass Esken, die sonst regelmäßig den Koalitionspartner FDP mit ihrem Ruf nach viel höheren Steuern nervt, die Äußerung zu den Flugzeugen nur so herausgerutscht ist. Vielleicht wollte sie sich auch mal auf einem anderen Feld als dem der Umverteilung profilieren. Ihr Chef, dem sie im Kampf um den SPD-Vorsitz einst das Prädikat „echter Sozialdemokrat“ abgesprochen hatte, war jedenfalls „not amused“.

Kummer mit Baerbock ist Scholz gewöhnt - aber jetzt tritt etwas ein, das Merkel nie passierte Verdruss bereiten dem Kanzler auch manche Äußerungen seiner Auenministerin. Als die neulich erklärte, „Wir führen einen Krieg gegen Russland“, war man im Kanzleramt zu Recht entsetzt. Auch Baerbocks frühe öffentlich Festlegung, Berlin werde die Lieferung von Leopard-Panzern nicht blockieren, war ein Widerspruch zur Verzögerungstaktik des Kanzlers.

In gewisser Weise ist Scholz Kummer mit der Grünen gewohnt. Die hatte seit Kriegsbeginn – Seite an Seite mit der FDP – stets mehr Unterstützung der Ukraine gefordert. Auch hatte sich Baerbock, die Scholz 2025 gerne als Kanzlerin beerben würde, mit Kritik an Verteidigungsministerin Lambrecht nie zurückgehalten. Was Scholz zudem ärgern dürfte: Baerbock liegt – zusammen mit dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck – in allen Umfragen stets vor dem Kanzler. Das ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nie passiert.

Strack-Zimmermann ist das größte „Frauenproblem“ für den Kanzler

Das größte „Frauenproblem“ für Scholz stellt indes Marie-Agnes Strack-Zimmermann dar, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Wer sich in der Politik nicht sonderlich auskennt, kann manchmal ins Grübeln kommen: Gehört die streitbare Verteidigungsexpertin eigentlich zur Opposition? Wenn sie Scholz „Versagen“ vorwirft oder eine „beschämende Kommunikation“ in der Panzerfrage, dann kann man leicht vergessen, dass diese „Klartexterin“n für die FDP im Bundestag sitzt. Deshalb erreicht sie auch mehr, als wenn sie ihre schneidende Kritik von den Oppositionsbänken aus vorbrächte. Ohne die ständigen Interventionen von „MAStrackZi“, so ihre Twitter-Kennung, hätte die SPD noch länger gebraucht, um der Scholz’schen Rede von der Zeitenwende auch Taten folgen zu lassen.

Strack-Zimmermann ist eine besonders eloquente Vorkämpferin für mehr deutsche Waffenlieferungen an die von Putin überfallene Ukraine. Das wurde besonders deutlich, als sie im vergangenen Jahr mit den Ausschussvorsitzenden Michael Roth (Außen/SPD) und Toni Hofreiter (Europa/Grüne) demonstrativ in die Ukraine reiste, als Scholz – wieder einmal – zögerte. Als dieses Ampel-Trio nach seiner Rückkehr von Scholz deutlich mehr Taten forderte, machte der sich über „diese Jungs und Mädels“ lustig: „Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich.“

Gut für den Kanzler: Strack-Zimmermann hält sich bei Kampfjet-Lieferungen auffallend zurück Inzwischen spottet Scholz nicht mehr über das „Mädel“. Denn er musste erkennen, dass diese streitbare Politikerin die Menschen besser erreicht als er mit seinen teilweise verquasteten Aussagen. Überdies genießt Strack-Zimmermann die volle Rückendeckung ihres Parteivorsitzenden Christian Lindner: Als Ausschussvorsitzende habe Strack-Zimmermann „nicht dem Bundeskanzler oder dem Kanzleramtschef oder einem anderen Kabinettsmitglied zu gefallen.“

Bei allem Ärger mit „seinen“ Frauen und insbesondere mit den Kampfjet-Andeutungen Eskens, gibt es für den Kanzler aber auch Erfreuliches von der Frauenfront: Strack-Zimmermann hält sich bei Kampfjet-Lieferungen auffallend zurück. Flugzeuge seien „eine völlig andere Sache“ als die nun zugesagten Leopard-Kampfpanzer, stellte Strack-Zimmermann im SWR klar. „Ich sehe das nicht.“ Im Kanzleramt dürfte man jedoch befürchten, dass das „nicht“ eher als ein „noch nicht“ verstanden werden muss.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 30. Januar 2023)


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