23.09.2021

Rot-rot-grüne Volksrepublik: Mehr Staat, weniger Leistung, Political Correctness über alles

Die SPD schließt es nicht aus, die Grünen sagen ebenfalls nicht grundsätzlich nein, die Linke ist dazu bereit: Deutschland kann bald von Rot-Grün-Rot regiert werden. Die aktuellen Umfragezahlen lassen diese Koalitionsvariante zu.

Das war übrigens seit der Bundestagswahl 1994 schon sechs Mal so, dass es für eine Regierung aus SPD, Linken und Grünen gereicht hätte. Aber bisher überwog vor allem bei den Sozialdemokraten die Skepsis, sich im Bund mit der Linkspartei alias PDS alias SED/PDS alias SED auf ein gemeinsames Regierungsprogramm verständigen zu können. Zu groß erschienen die Unterschiede in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, in der Innenpolitik und vor allem in der Außenpolitik.

Große Schnittmengen der Wahlprogramme

Das ist heute anders. Was weniger an der Linkspartei als an den Linken in der SPD liegt. Die Esken/Walter-Borjans/Kühnert-SPD ist inhaltlich so weit nach links gerückt, dass das Gemeinsame mit der Linkspartei das Trennende übersteigt. Legt man die Wahlprogramme von SPD, Grünen und Linken nebeneinander, dann sieht man, dass es in der Wirtschafts-, in der Finanz-, in der Klima und in der Gesellschaftspolitik keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten würde, daraus einen Koalitionsvertrag zu schmieden.

Differenzen gibt es hingegen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Doch scheint die Linkspartei zu Kompromissen bereit zu sein. Schließlich haben die „Realos“ dort bemerkt, dass man vom ewigen Opponieren auf Dauer nicht stärker wird. Der Nato-Austritt steht jedenfalls nicht mehr auf der Linken-Agenda.

Scholz ist nicht der Herr im Ring

Nun darf man Olaf Scholz unterstellen, dass ihm eine Ampel mit Grünen und FDP lieber wäre als „RGR“. Aber Koalitionen werden nicht von Spitzenkandidaten geschlossen, sondern von Parteien, woran seine Parteivorsitzende Saskia Esken den Kanzlerkandidaten kürzlich erinnert hat. Das war eine klare Ansage nach dem Motto: „Lieber Olaf, glaube ja nicht, dass Du nach dem 26. September allein bestimmen kannst.“

Ohnehin ist Scholz kein Politiker mit ehernen Prinzipien. Als Generalssekretär zu Zeiten von Gerhard Schröder verteidigte er vehement Steuererleichterungen für Großunternehmen, die Reduzierung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent oder die Politik des „Förderns und Forderns“ im Zusammenhang mit den Hartz-Reformen. Heute hält er genau das Gegenteil für richtig. Ob er seine Überzeugungen geändert hat oder sich nur opportunistisch dem Linkstrend der SPD anpasst, weiß wohl nur er.

So könnte Rot-Grün-Rot laufen

Unterstellen wir mal, Rot-Grün-Rot wird Wirklichkeit. Mit einem Bundeskanzler Scholz, einer Vizekanzlerin Annalena Baerbock und einem weiteren Vizekanzler Dietmar Bartsch von der Linken würde aus der Bundesrepublik keine „DDR light“; das zu unterstellen, wäre zu billig. Aber RGR würde das Land deutlich verändern – wirtschaftspolitisch, finanzpolitisch, sozialpolitisch, außenpolitisch und nicht zuletzt mit Blick auf das politische Klima. Aus der Bundesrepublik würde eine rot-grün-rote Republik – die Volksrepublik 2.0.

„Mehr Staat, weniger Markt“

In der Wirtschaftspolitik wird „mehr Staat, weniger Markt“ zur Leitschnur. Regulierung und Reglementierung setzen den Unternehmen neue Grenzen. Die Grünen setzen den Vorrang der Klimapolitik vor der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen durch. Verbote werden wichtiger als Anreize. Dier erste Maßnahme ist Tempo 120 auf den wenigen Autobahnkilometern, auf denen es noch kein Tempolimit gibt.

Der Ausstieg aus der Kohle wird beschleunigt, obwohl der Ausbau der erneuerbaren Energie wie der Stromtrassen von Nord nach Süd viel zu langsam vonstattengeht. Deshalb muss Deutschland Strom importieren. Dass der aus ausländischen Kernkraft- und Kohlekraftwerken stammt, wird von der Regierung erst verschleiert, dann als notwendige Übergangslösung gerechtfertigt.

Niedrigere Mieten, weniger Neubauten

Zügig werden die rechtlichen Voraussetzungen für einen bundesweiten Mietendeckel geschaffen, um Mieten im Wohnungsbestand zu senken. Viele private Vermieter, die ihren Ruhestand mit Mieteinnahmen aus ein oder zwei Wohnungen bestreiten, müssen sich einschränken zugunsten der Mieter bisher besonders teurer Wohnungen. Von einer Verstaatlichung von Wohnungskonzernen sieht die Regierung wegen der hohen Entschädigungszahlungen ab. Die vom Staat begrenzten Mieten schrecken jedoch private wie gewerbliche Investoren vom Wohnungsmarkt ab. Der Staat als Bauherr kann freilich das Angebot an Wohnungen bei weitem nicht im notwendigen Umfang erweitern.

Politische Löhne, steigende Arbeitskosten

Am Arbeitsmarkt wird die Tarifautonomie weiter eingeschränkt. Paare mit Kindern können die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich reduzieren. Der Mindestlohn wird zu einem politischen Lohn, über dessen Höhe letztlich die Wähler entscheiden. Das führt zu steigenden Arbeitskosten. Viele Unternehmen reagieren darauf mit der Verlagerung ihrer Investitionen ins Ausland, was allerdings nur großen Firmen möglich ist. Die „Kleinen“ haben halt Pech.

Auf den Wegfall von Arbeitsplätzen durch die harten Klimaauflagen wie die höheren Arbeitskosten reagiert RGR mit Erhöhungen des Arbeitslosengeldes und der Hartz IV-Sätze. Dabei werden die Vermögensverhältnisse nicht mehr überprüft, ebenso wenig die Bereitschaft zum Arbeiten. Das bedingungslose Grundeinkommen kommt so durch die Hintertür. Nicht mehr arbeiten zu dürfen oder gar nicht arbeiten zu wollen, wird gleichgesetzt und staatlich finanziert.

Zurück in die Vollkasko-Gesellschaft

In der Sozialpolitik zeichnet sich die Regierung Scholz/Baerbock/Bartsch durch ihre Großzügigkeit aus. Es kommt zur Rückkehr in die Vollkasko-Gesellschaft, von der Rot-Grün einst mit der „Agenda 2010“ abgerückt war. In der Krankenversicherung löst eine staatliche Zwangs-AOK das Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen ab. Um die „Zwei-Klassen-Medizin“ endgültig abzuschaffen, wird Ärzten mit Kassenzulassung verboten, Sonderleistungen gegen einen entsprechenden Aufpreis anzubieten. Das beflügelt den Patienten-Tourismus von Deutschland in die europäischen Nachbarstaaten.

Renten steigen, die Beiträge nicht

Die Renten werden bei gleichbleibenden Beitragssätzen der Arbeitnehmer erhöht; zugleich fällt der Arbeitgeberbeitrag höher aus. Die Mindestrente steigt auf 1000 Euro im Monat. Der Zusammenhang zwischen Beitragsleistung und Rentenhöhe wird weiter gelockert. Wer mehr als ein Durchschnittseinkommen bezieht, zahlt höhere Rentenbeiträge, kann seine Rentenansprüche aber kaum noch steigern.

Anders als bisher müssen auch Selbständige und Freiberufler in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Die Bemessungsgrenze in der Rentenversicherung fällt weg; der Rentenbeitrag muss folglich auf die gesamten Einkünfte entrichtet werden, selbstverständlich auch auf sehr hohe. Umgekehrt wird die Rente bei höchsten 2000 Euro im Monat gedeckelt.

Schuldenbremse kommt in die Geschichtsbücher

In der Finanzpolitik wird Umverteilung zur wichtigsten Leitlinie und die Schuldenbremse ein Fall für die Geschichtsbücher. Zur Finanzierung zahlloser sozialer Wohltaten steigen die Steuern für alle, die mehr können und mehr leisten als der durchschnittliche Arbeitnehmer. Vermögen werden kräftig besteuert, ebenso Erbschaften. Dies hat Auswirkungen auf die Familienunternehmen, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Zahlreiche Mittelständler geben auf, verkaufen ihre Betriebe an Konzerne, die sich auf diese Weise unangenehmer Wettbewerber entledigen. Ehemalige Eigentümer-Unternehmer verlagern ihren Wohnsitz ins Ausland.

Weniger „Reiche“ im Land zu haben, bedeutet, dass die von Sozialdemokraten, Grünen und Linken beklagte Ungleichheit bei der Vermögensverteilung abnimmt. Statistisch gibt es weniger „Arme“, was RGR als Erfolg feiert. Dass gleichzeitig das Steueraufkommen sinkt, wird von den Regierenden den angeblich habgierigen Steuerflüchtlingen angelastet, publizistisch kräftig unterstützt von den öffentlich-rechtlichen Sendern.

Nein zu höheren Verteidigungsausgaben, ja zur Schuldenunion

In der Außenpolitik kommt es nicht zu einem Austritt aus der Nato. Aber die Bundesrepublik wird sich neuen robusten Auslandseinsätzen verweigern und es sich in der Rolle eines moralisierenden Beobachters der Weltpolitik bequem machen. Das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben wird aufgegeben. Dass die Mehrheit der Linken sich kürzlich im Bundestag bei der Entsendung deutscher Soldaten zur Rettung von Menschen nach Kabul der Stimme enthalten hat, war bereits ein Signal der Linksaußen-Partei für ihre Kompromissbereitschaft. Ohne Perspektive auf Rot-Grün-Rot hätte die Linke-Fraktion mit Nein bestimmt.

In Europa beschleunigt Berlin den Marsch in die Schulden- und Haftungsunion. Letztlich haftet die Bundesrepublik für die Folgen politischer Fehlentwicklungen in anderen EU-Ländern – und die „Reichen“ in Deutschland finanzieren das. Gewisse Zugeständnisse in außen- und europapolitischen Fragen an SPD und Grüne erklärt die Linkspartei ihrer Basis so: Wir haben uns in der Sozial- und Wirtschaftspolitik auf breiter Front durchgesetzt. Und für die Abgehängten und Ausgebeuteten sind 13 Euro Mindestlohn oder eine solidarische Mindestrente über dem bisherigen Rentendurchschnitt allemal wichtiger als außenpolitische Spitzfindigkeiten.

Unliebsame Meinungen werden verbannt

Ebenfalls gravierend sind die Auswirkungen auf das gesellschaftspolitische Klima. Rot-Grün-Rot fördert alles, was politisch korrekt ist. In amtlichen Erklärungen, Gesetzestexten und Ähnlichem muss bis zur Unlesbarkeit „gegendert“ werden. Die Regierung tut, was sie kann, um aus ihrer Sicht unliebsame Meinungen aus dem politischen Diskurs zu verbannen. Der Kampf gegen Rassismus und Faschismus wird massiv finanziell gefördert, mit absehbarer Schlagseite: Wer nicht links genug ist, wird als Nazi an den Pranger gestellt.

Diesen Kampf führen in erster Linie Anti-Rassismus-Beauftragte auf allen staatlichen Ebenen. Hier knüpft RGR an die zu rot-grünen Zeiten „erfundenen“ Gleichstellungsbeauftragten an. Es geht um die Beeinflussung des gesellschaftlichen Klimas durch scheinbar neutrale staatliche Instanzen. Zugleich entsteht ein attraktiver Jobmarkt für Parteigänger – auf Kosten der Steuerzahler.

Minderheiten als Maß der Dinge

Unter der Regierung Scholz/Baerbock/Bartsch wird Identitätspolitik ganz großgeschrieben. Die Befindlichkeit einzelner gesellschaftlicher Gruppen und Minderheiten hat Vorrang vor dem Zusammenhalt der Gesellschaft. Im Mittelpunkt allen gesellschaftspolitischen Bemühens stehen Kleingruppen, die aus Gründen der Abstammung, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, einer Vorliebe für einen bestimmten Lebensstil oder aus sonstigen, feinsinnig ausgedachten „Benachteiligungen“ einen Opferstatus begründen können. Auf der Strecke bleiben die „Normalos“.

Bye, bye Leistung

Gerechtigkeit wird als Gleichheit definiert. Das Leistungsprinzip wird ausgehöhlt. Diese Orientierung der Politik an Minderheiten führt zu Quotierung in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft: nach den Frauen kommen die Migranten, dann die Lesben und Schwulen. Das Leistungsprinzip wird folglich auf zweifache Weise unterminiert: durch eine leistungsfeindliche Steuerpolitik wie durch den Vorrang nicht leistungsbezogener Kriterien bei der Besetzung von Positionen.

Ein Nebeneffekt: Immer häufiger kommt es vor, dass Frauen ohne Migrationshintergrund der berufliche Aufstieg verwehrt wird, weil sie die falschen, das heißt deutsche Eltern haben. Das bringt viele Feministinnen in Schwierigkeiten, die Diskriminierung „biodeutscher“ Frauen als Preis für die angestrebte diverse Gesellschaft zu rechtfertigen.

Wenn, wann nicht jetzt?

Ein düsteres Szenario, gewiss, aber kein ausgeschlossenes. Im Gegenteil: In der SPD, bei den Grünen und in der Linkspartei träumen nicht wenige davon. Die Volksrepublik 2.0 wird kommen, wenn die Wähler dafür den Weg freimachen. Die Co-Parteivorsitzende Linken, Susanne Hennig-Wellsow, sieht die Lage so: „Das Fenster ist so weit geöffnet wie noch nie. Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Da fällt einem eine alte Redewendung aus der DDR ein: „Die Wirklichkeit ist real, Genossen“.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 21. September 2021)


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