10.05.2021

Laschet bei Will: Vier gegen einen

Vor zwei Wochen hatte Anne Will die Kanzlerkandidatin der Grünen in ihre Talkrunde eingeladen. Von 60 Sendeminuten waren die ersten 22 allein Annalena Baerbock vorbehalten. Jetzt war der Kanzlerkandidat der Union an der Reihe. Auch Armin Laschet genoss eine Sonderbehandlung, wurde von der Moderatorin zunächst allein befragt, ehe die anderen Gesprächsteilnehmer zu Wort kamen. Aber ihm gewährte Will nur ein 14-minütiges Einzelinterview. Es lebe der kleine Unterschied.

Anne Wills Lieblingsgast war eindeutig Luisa Neubauer, das deutsche Gesicht von „Friday for Future“. Dass die junge Dame zur Klimapolitik viel zu sagen hat, steht außer Zweifel. Sie ist aber offenbar auch Expertin für Antisemitismus, Rassismus und die AfD. Jedenfalls wollte Will ausgerechnet von ihr wissen, ob der CDU-Vorsitzende Laschet sich deutlicher zur Kandidatur des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen hätte äußern müssen.

Die Streiterin, für eine andere Klimapolitik – als Mitglied der Grünen auch parteipolitisch festgelegt – bejahte das erwartungsgemäß. Sie warf Laschet zudem vor, er habe sich von Maaßen nicht distanziert und dadurch „rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte“ legitimiert.

Obwohl Laschet mehrfach nach Belegen für diese Behauptung fragte, konnte Neubauer keine liefern. Stattdessen beschied sie keck: „Bitte setzen Sie sich damit auseinander. Sie sollten das wissen.“ Aber offenbar wusste sie selber nichts Genaues. Die Moderatorin ließ sie gewähren. Dass Laschet mit einem Ausschlussverfahren gegen Maaßen drohte, falls der sich tatsächlich antisemitisch geäußert haben sollte, interessierte die beiden Damen nicht.

Ohnehin hatte Neubauer eine Sonderrolle. Sie redete wie ein Wasserfall, ließ Laschet so gut wie nie ausreden, unterbrach ihn ständig, machte den Kanzlerkandidaten von CDU/CSU für alle umweltpolitischen Sünden der Vergangenheit verantwortlich, selbst für die der 2017 abgewählten der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Obendrein machte sie sich anheischig, Laschet das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 zu erklären.

Neubauer war offenbar eigeladen worden, Laschet in die Enge zu treiben. Der konterte alle Anwürfe ruhig und sachlich. Seine zentrale Aussage lautete: Er strebe ein „klimaneutrales Industrieland“ an. Das könnte im Bundestagswalkampf zum entscheidenden Unterscheidungskriterium zwischen Union und Grünen werden: die Frage, wie man die CO2-Emission deutlich verringern kann, ohne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft und allzu viele Arbeitsplätze zu gefährden. Hier konnte Laschet darauf verweisen, dass das bei dem von ihm entscheidend mitverhandelten Kohleausstieg gelingen könnte, obwohl dieser natürlich nicht ohne Arbeitsplatzverluste vollzogen werden kann.

„Von Corona-Krise bis Klimapolitik – kann die Union noch Kanzleramt?“ Der Titel der Sendung war eigentlich irreführend. Denn es ging Anne Will zeitweise mehr um die Frage, ob die Union es mit dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder vielleicht besser könnte. Am schwersten hatte es Laschet immer dann, wenn die Frage aufkam, warum die CDU den von ihm angestrebten Modernisierungsschub nicht in ihren vergangenen 16 Regierungsjahren angepackt habe. Da geriet der Kanzlerkandidat in die Defensive, konnte nur darauf verweisen, dass er in dieser Zeit nicht der Kanzler gewesen sei. Angela Merkel habe aber angesichts von Herausforderungen wie der Finanzkrise, der Eurokrise, der Flüchtlingskrise oder der Pandemie andere Prioritäten setzen müssen.

Eines wurde auch in dieser Runde klar: Beim Thema Klimapolitik ist die CDU/CSU gegenüber den Grünen in der Defensive. Wenn die Union die grüne Herausforderung abwehren will, dann muss sie ein überzeugendes Konzept für die Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie präsentieren. Aber für dieses Thema interessierte sich die Moderatorin ebenso wenig wie die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch oder Martin Machowecz von der „Zeit“. In den 60 Minuten „Vier gegen einen“ musste Laschet einige Treffer einstecken. Doch gelang es ihm, sich als Politiker der Mitte zu präsentieren, der nüchtern und pragmatisch vorgehen will. Das erinnert stark an Merkel.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 10. Mai 2021)


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