18.04.2018

Arbeitnehmer, Dein Wille geschehe!

Das ist kein Zufall, dass Arbeitsminister Hubertus Heil seinen Gesetzesentwurf für ein Rückkehrrecht von Teilzeit und Vollzeit jetzt vorgelegt hat. Am kommenden Sonntag ist SPD-Parteitag, und da will der Regierungsflügel den eigenen Linken sagen können: Seht her, GroKo lohnt sich für uns.

Von solchen innerparteilichen Überlegungen abgesehen, erlaubt der Entwurf einen Blick in die neue „soziale“ Arbeitswelt, wie sie dem linken Spektrum vorschwebt. Jeder Arbeitnehmer bekommt das Recht, sich bis zu fünf Jahre lang von der Vollzeit abzumelden, um dann – wenn es ihm in die Lebensplanung passt – wieder auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren. Was das für die Arbeitgeber und die betrieblichen Abläufe bedeutet, interessiert die beiden sozialdemokratischen Regierungsparteien – auch die CDU/CSU stimmt zu – nicht. Sollen doch die Arbeitgeber sehen, wie sie damit zurande kommen.

Kleinbetriebe mit bis zu 45 Mitarbeitern werden von diesem neuen Recht auf freie Arbeitszeitwahl verschont. Aber auch für etwas größere Betriebe wird es nicht einfach, wenn mehrere Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitszeit reduzieren. Das hat übrigens einen grotesken Nebeneffekt. Für einen Mitarbeiter, der aus persönlichen Gründen für ein Jahr nur noch 19 statt 38 Stunden arbeitet, muss das Unternehmen einen Teilzeit-Vertreter einstellen. Und schon wieder sitzt jemand in der angeblich so unsozialen „Teilzeitfalle“.

Heil, SPD und CDU/CSU wollen aber nicht nur Vollzeitbeschäftigten ein Höchstmaß an Flexibilität einräumen. Auch wer derzeit eine Teilzeitstelle ausfüllt, soll – falls ihm danach ist – sein Arbeitspensum nach Belieben erhöhen können. Sollte der Arbeitgeber aber gar keine zusätzliche Arbeit haben, dann muss er das notfalls vor Gericht nachweisen. Am Ende werden so die Arbeitsgerichte zur obersten Instanz bei der Planung betrieblicher Abläufe.

Fragt sich nur, welche Rolle Unternehmer und Arbeitgeber in dieser neuen, schwarz-roten Arbeitswelt noch einnehmen. Offenbar sehen die Großkoalitionäre in einem Arbeitgeber einen Menschen, der einen Betrieb aufgebaut hat mit dem obersten Ziel, Menschen zu beschäftigen und zu bezahlen. Und ein Arbeitnehmer ist nach diesem Bild von Wirtschaft ein Mensch, der durchaus bereit ist, einem Arbeitgeber zu Diensten zu sein – aber zu seinen, des Arbeitnehmers Bedingungen, das heißt, wann ER arbeiten will und wie lange ER arbeiten will. Betriebliche Belange erscheinen da im „Freizeitpark Deutschland“ als lästige Nebensächlichkeiten, ebenso das Denken in den Kategorien von Umsatz und Gewinn, Kosten und Ertrag.

Dies alles vollzieht sich vor dem Hintergrund einer florierenden Wirtschaft mit dem höchsten Beschäftigungsstand seit der Wiedervereinigung. Doch irgendwie scheinen die Großkoalitionäre zu glauben, anhaltendes Wirtschaftswachstum und eine stetige Zunahme der Beschäftigung wären ein Geschenk des Himmels an die Deutschen. Vielleicht sollten Union wie SPD einmal an die erste Legislaturperiode von Rot-Grün zwischen 1998 und 2002 zurückdenken. Auch damals gingen die Regierenden davon aus, die Wirtschaft wachse von allein. Deshalb wurde herumexperimentiert, wie groß wohl die Belastbarkeit der Wirtschaft sein könnte. Als die Herrschaften es wussten, war das Wachstum minimal und die Arbeitslosigkeit sehr hoch.

Angeblich wird man aus Schaden klug. Manche Politiker scheinen nach dem Vorsatz zu leben, auf keinen Fall klug werden zu wollen. Heils Gesetzentwurf belegt dies.

Veröffentlicht auf www.tichyseinblick.de vom 18. April 2018.


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