16.07.2017

Der „Spiegel“ verzweifelt an Schulz – und nicht nur er.

„Die FDP-Wahlkampagne ist auf Christian Lindner fokussiert. Ist das mit Ihrer Eitelkeit vereinbar?“ fragte die „Welt am Sonntag“ FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki. Dessen Antwort war typisch Kubicki: „Selbstverständlich. Die Union plakatiert Angela Merkel, die SPD wahrscheinlich Martin Schulz, wenn er bis dahin noch Spitzenkandidat ist. Und wir unseren Parteivorsitzenden.“

„Martin Schulz, wenn er bis dahin noch Spitzenkandidat ist.“ Ironischer, ja boshafter kann man die Lage von Schulz und der SPD nicht beschreiben. Auch wenn die SPD den Kanzlerkandidaten natürlich nicht auswechseln wird. Gegen wen auch? Olaf Scholz ist nach den unglücklichen Erklärungen für die Kontrollverluste des Staates angesichts der Gewaltorgie beim G20-Gipfel erst mal kein Hoffnungsträger mehr.

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Kubicki spottet. Beim „Spiegel“ ist man offenbar verzweifelt. „Der Kandidat, der nicht vorkommt. Warum die Kampagne von SPD-Chef Schulz bisher nicht funktioniert“, ist der Leitartikel in der Ausgabe vom 15. Juli überschrieben. „Noch hat Schulz Zeit, die Stimmung zu drehen und seiner Kampagne neuen Schwung zu verleihen“, meint Michael Sauga. Man kann es in und zwischen den Zeilen lesen: Die „Spiegel“-Mannschaft ist tief deprimiert, dass der von ihr so hochgejubelte „Gottkanzler“ im irdischen 20-Prozent-Tal herumkrebst. Also: Am „Spiegel“ liegt‘s sicher nicht, dass Schulz und die SPD so schlecht dastehen. Was auch viel über den geschrumpften Einfluss des „Spiegel“ sagt.

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Man kann der SPD wirklich nicht vorwerfen, sie kämpfe nicht. Martin Schulz tourt durch Deutschland, die Partei lädt ständig zu Parteitagen, Sonderparteitagen, Konferenzen, auf denen der Kanzlerkandidat seine Vorstellungen präsentiert. Bei der CDU ist von Wahlkampf so gut wie nichts zu spüren. Angela Merkel macht Europa- und Weltpolitik, sorgt so für Fernsehbilder und Schlagzeilen. Jetzt hat sie sich aber doch einmal aufgemacht, um an der Ostsee urlaubende Wähler zu beglücken. Ihre Botschaft: Eigentlich ist alles gut. Aber natürlich könnte alles noch besser werden. Dagegen scheint die SPD mit ihren Klagen über all das Elend im Lande nicht so recht anzukommen – bisher jedenfalls.

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Die Abgehobenheit der Kanzlerin führt bei Schulz zu Wutausbrüchen. Kürzlich hat er Merkel einen „Anschlag auf die Demokratie“ vorgeworfen, weil sie den Wahlkampf nicht so führt, wie er das gerne hätte. Jetzt hat er nochmal eine Schippe draufgelegt. Im Zusammenhang mit dem unverständlichen Streit, ob Linksextremismus etwas mit linken Einstellungen zu tun haben oder nicht, warf Schulz der Union jetzt Perfidie und Verleumdung vor. Er habe es aufgegeben, von Merkel und der CDU/CSU „Anständigkeit zu erwarten.“

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Bei den Umfragen hat sich – ungeachtet von „Ehe für alle“ und den Gewaltausbrüchen von Hamburg – wenig getan. Die CDUCSU führt mit 13, 14 Punkten Vorsprung vor der SPD. Linke, FDP, Grüne und AfD pendeln zwischen 9 und 7 Prozent. Nach aktuellem Stand wären nur zwei Koalitionen möglich: GroKo oder „Jamaika“ aus CDU/CSU, FDP, und Grünen. Apropos Grüne: Die Partei soll es noch geben. Sie ist nach Hamburg nur noch leiser geworden. Was man verstehen kann.

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Wahlkampfweisheit zum Tage: „If people want a sense of purpose they should get it from their archbishop. They should certainly not get it from their politicians” (Harald Macmillain). Frei übersetzt: Wer nach dem Sinn des Lebens sucht, sollte seinen Erzbischof fragen, aber auf keinen Fall Rat bei Politikern suchen.

Veröffentlicht auf www.tichyseinblick.de am 16. Juli 2017.


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