13.10.2016

Economics war gestern – jetzt gibt’s Maasonomics

Irgendwie war‘s Pech. Als Justizminister Heiko Maas, Jurist mit zwei Staatsexamen, in der vergangenen Woche bei „Illner“ mit neuen, bahnbrechenden ökonomischen Erkenntnissen aufwartete, war der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften noch nicht verliehen, aber schon vergeben. Die Maas‘sche Erkenntnis, dass der Staat Milliarden ausgeben könne, ohne dass das irgendjemanden etwas koste, konnte da nicht mehr berücksichtigt werden, jedenfalls nicht für 2016. Aber wer weiß: Auch im nächsten Jahr werden wieder Ökonomen gesucht, die die Welt neu erklären.

Zur Sache: Bei „Illner“ stritten SPD-Maas und AfD-Gauland über die Kosten, die mit dem Zustrom der Flüchtlinge verbunden sind. Das Münchener Ifo-Institut hatte vor knapp einem Jahr mit 21 Milliarden Euro gerechnet – allein für 2015. Auf ähnliche Größenordnungen kam auch das Institut der deutschen Wirtschaft für 2016 und 2017. Welche Kosten 2015 und 2016 tatsächlich anfielen, vermag niemand genau zu sagen. Unterbringung und Verpflegung, medizinische Versorgung und Sprachkurse, Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft – das alles spielt sich in der föderalen Bundesrepublik auf vielen Ebenen statt und wird von kommunalen wie von staatlichen Behörden betrieben und finanziert. Wir wissen also nur: Es ist und bleibt teuer.

Heiko Maas hat nun – völlig zu Recht – darauf hingewiesen, dass bisher niemandem wegen der Neuankömmlinge etwas gekürzt worden sei: keine Renten, keine Leistungen der Krankenkassen, kein Wohngeld. Obwohl auch er die hohen Kosten nicht abstreitet, im Gegenteil. Maas wörtlich: „Es kostet sogar sehr viel, Milliardenbeträge, die jetzt schon aufgewendet werden. Ich hab‘ nur darauf hingewiesen, das ist niemandem weggenommen worden. Wir haben nirgendwo irgendeine Leistung gekürzt gegenüber irgendjemandem, der hier ist. Insofern kann man die Menschen, die hierher kommen nicht ausspielen gegen die Menschen, die schon hier sind. (…) Die Milliarden werden in Deutschland erwirtschaftet.“

Halten wir also fest: Die Willkommenspolitik kostet „Milliardenbeträge“ – fallen aber niemandem zur Last. Irgendwie ist das Geld erwirtschaftet worden. Und wenn es schon mal da ist, kann es auch ausgegeben werden. „Allen Flüchtlingen wohl, keinem Einheimischen weh“ – das ist die neue Zauberformel der Maasonomics. Das entbehrt sogar nicht einmal jeder Logik: Steuern und Abgaben wurden auch nicht erhöht. Also: Entspannt euch, ihr Bürger.

Wer freilich an der Universität die „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“ nicht völlig verschlafen hat, kann sich noch dunkel daran erinnern, dass der Staat im Grundsatz nur das Geld ausgeben kann, das er vorher eingenommen hat: durch Steuern und Abgaben oder durch Schulden. Schulden hat der Bund per Saldo aber im letzten Jahr nicht gemacht, sondern seine „schwarze Null“ verteidigt. Auch das Betätigen der Notenpresse zur wunderbaren Geldvermehrung ist im Euroland für nationale Bedürfnisse nicht mehr möglich. Deshalb gilt die ökonomische Grundregel: Der Staat ist keine Kuh, die im Himmel gefüttert wird und auf Erden Milch gibt. Nein, füttern müssen wir die Staats-Kuh schon selbst.

Was die Finanzminister und Stadtkämmerer also ausgeben, haben sie vorher jemandem weggenommen – nämlich den Steuerzahlern. Wer sich an dem harten Ausdruck „wegnehmen“ im Zusammenhang mit Steuern stört, sei an den großen Kirchenlehrer Augustinus erinnert. Der bezeichnete Steuern als „erlaubten Fall von Raub.“ Der Staat als – anständiger – Räuber, der Steuerzahler als – auf zivile Weise – traktiertes Opfer, ist also kein falsches Bild.

Wer nicht auf die Maasonomics setzt, sondern bei den simplen Economics bleibt, muss feststellen, dass die Maas’schen „Milliardenbeträge“ nicht ausgegeben werden könnten, wenn sie den Steuerzahlern nicht vorher weggenommen worden wären. Und wenn nicht so viele Flüchtlinge gekommen wären? Ja, dann hätten Herr Schäuble und seine Kollegen vielleicht den immensen öffentlichen Schuldenberg abbauen können. Oder sie hätten einen Spielraum für Steuersenkungen und Kindergelderhöhungen gehabt, die im Monat stärker als mit ein paar Euro zu Buche schlagen. Der Staat hätte auch – theoretisch jedenfalls – Geld gehabt für mehr Sozialwohnungen oder für die dringend notwendige Sanierung maroder Schulen. So aber geben wir das Geld für Flüchtlinge aus. Das alles lässt sich humanitär begründen – aber es hat seinen Preis.

Das Schlimme an den Maasonomics ist ja nicht, dass ihrem Erfinder ein Mindestmaß an ökonomischer Einsicht zu fehlen scheint. Ganz nebenbei: „Früher“ mussten Juristen einen „Schein“ in Volkswirtschaftslehre machen. Aber das war wohl vor Beginn der Maas’schen Zeitrechnung. Schlimm an der Maas-Methode ist, dass er bewusst versucht, die Menschen für dumm zu verkaufen. Die Leute spüren, dass etwas nicht stimmen kann, wenn jetzt – nach dem Zustrom der Flüchtlinge – plötzlich viel mehr Geld für Sozialwohnungen, Lehrer, Sozialarbeiter und Schulen da ist. Aber statt zu erklären und zu begründen, dass neue Herausforderungen neue Prioritäten erfordern, wählen Maas und Kabinettskollegen die Dummy-Methode: Wie der Strom aus der Steckdose, so kommt das Geld aus dem Bankomaten. Die Maasonomics machen’s möglich.

Veröffentlicht in „Tichys Einblick“ am 12. Oktober 2016.


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