18.08.2015

Müller-Vogg: CDU muss neue Wege zu ihren Mitgliedern finden

Jünger, weiblicher, mehr Migranten - die CDU will ihr Profil anpassen, um Mitglieder zu halten und neue zu gewinnen. Es handele sich vor allem um eine "organisatorische Modernisierung der Partei, nicht um eine inhaltliche", sagte der Publizist Hugo Müller-Vogg im DLF. Wichtig seien aber auch Überlegungen, dass Mitglieder viel häufiger per Internet abstimmen könnten.

Daniel Heinrich: Der CDU brechen die Mitglieder weg und diejenigen, die noch da sind, sind zu alt. Überspitzt sind das wohl die Hauptgründe, warum sich die Partei reformieren will, und das ziemlich schnell. Im Dezember soll auf dem Parteitag darüber abgestimmt werden, heute hat der Parteivorstand den vorzulegenden Antrag auf den Weg gebracht. Vor allem soziale Medien sollen eine größere Rolle spielen, mehr Frauen und Migranten das Profil prägen.

Zu dem Thema begrüße ich nun am Telefon Hugo Müller-Vogg, Publizist und früherer Mitherausgeber der FAZ. Herr Müller-Vogg, jünger, weiblicher, mehr Migranten - lassen Sie uns mal die Sozialdemokraten überspringen. Wenn die CDU in dem Tempo weitermacht, wer soll denn dann in Zukunft überhaupt noch die Grünen wählen?

Hugo Müller-Vogg: Das ist eine gute Frage, wobei diese Frage unterstellt, dass die jungen Menschen in Scharen die Grünen wählen würden. Bei der letzten Bundestagswahl hatten die Grünen 8,4 Prozent und bei den Wählern zwischen 18 und 29 waren es zehn Prozent. Auch für die Grünen wachsen die Bäume bei den Jungen nicht in den Himmel.

Heinrich: Jetzt haben Sie die letzten Wahlen schon angesprochen. Bei der CDU ist es ja so: Die Mitglieder laufen weg, die, die noch da sind, sind zu alt. So zumindest der Tenor, was da heute so rausgekommen ist.

Müller-Vogg: Die laufen, glaube ich, nicht weg; die sterben weg in erster Linie. Heinrich: Jedenfalls sind sie nicht mehr da. Trotzdem lief es doch ganz gut bei den letzten Bundestagswahlen. Warum eigentlich braucht die CDU eine Erneuerung?

"Die CDU ist etwas profillos geworden"

Müller-Vogg: Ich glaube, der CDU geht es wie allen Großorganisationen. Das gilt für Parteien, das gilt auch für Gewerkschaften, das gilt teilweise auch für die Kirchen. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, und zwar dauerhaft zu engagieren, über das Punktuelle hinaus, die nimmt in der Gesellschaft ab. Dafür gibt es viele Gründe, aber darunter leiden die Parteien und deshalb müssen alle Parteien versuchen, neue Wege zu finden, um Menschen die Möglichkeit zu geben mitzuarbeiten, und da gibt es natürlich im Zeitalter von Internet Möglichkeiten, die es halt vor 20, 30 Jahren noch nicht gab, aber man muss sie auch adaptieren.

Heinrich: Die CDU versucht das jetzt verstärkt. Mal angenommen, das geht alles so durch mit dieser Erneuerung, mit dieser Reform, die da geplant ist, besteht denn dann nicht die Gefahr, dass die Konservativen in der Partei verprellt werden?

Müller-Vogg: Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Konservativen haben Probleme, was die Inhalte angeht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es Leute gibt die sagen, wenn meine CDU jetzt die Einladung zur Mitgliederversammlung per Internet auch noch verschickt, dann ist das nicht mehr meine Partei. Man darf eines nicht unterschätzen: Die älteren Herrschaften haben alle Enkel, die ihnen keine Briefe mehr schreiben, sondern mit ihnen per E-Mail kommunizieren, und als Opa ist man ganz schnell out, wenn man nicht im Internet unterwegs ist und zumindest Mails verschicken kann. Es gibt allerdings ein Problem, das hat auch die CDU natürlich: Bei einer gewissen Altersstufe wollen die Menschen nach wie vor ihre Einladung per Post bekommen. Man muss da wahrscheinlich in den Parteien auch zweigleisig fahren, was die Kommunikationsmittel angeht. Nur die E-Mail ist die Kommunikationsform der Zukunft und das Internet. Ob eine Partei sich für progressiv hält oder konservativ, das ändert daran nichts.

Heinrich: Jetzt geht es dort ja nicht nur um die Art und Weise, wie man E-Mails verschickt oder Kommunikation verschickt. Ich denke da auch so ein bisschen an die Inhalte. Was sagen Sie denn, wenn da jetzt modernere Themen in den Vordergrund rücken, gleichgeschlechtliche Ehe zum Beispiel? Haben sie dann nicht wirklich die Befürchtung, dass es bei einigen in der Partei dann anfängt zu grummeln?

Müller-Vogg: Gut, da gibt es ja auch schon Grummel, und es gibt ja auch Untersuchungen, dass ein Teil von früheren CDU-Wählern sich sozusagen in die Wahlenthaltung geflüchtet haben, weil das nicht mehr ihre Partei ist. Aber das, was da heute in Berlin vorgestellt wurde, darum geht es ja: um eine organisatorische Modernisierung der Partei, nicht um die Inhalte. Aber es ist natürlich richtig: Die Union ist in den letzten Jahren der Kanzlerschaft auch ein bisschen profillos geworden. Angela Merkel ist eine Großmeisterin darin, der SPD Themen wegzunehmen und sie dann als ihre zu verkaufen, und da sind diejenigen, die von einer Partei, von ihrer CDU erwarten, dass sie ein klares Profil hat, unzufrieden und das aus gutem Grund.

"Schwerer, die Partei weltanschaulich zu profilieren"

Heinrich: Jetzt haben Sie das Thema schon angesprochen. Müsste man denn da nicht eine Debatte darüber anstoßen, einfach das Profil der Partei zu stärken, um einfach attraktiver zu werden auch in der Bevölkerung?

Müller-Vogg: Also gut: Ich habe eher den Eindruck, dass das Konrad-Adenauer-Haus bestrebt ist, die Leistungen der Regierung herauszustellen und die Leistungen der Regierung als Merkel-Leistungen herauszustellen und weniger eine intensive Programmdebatte zu führen.

Heinrich: Jetzt hat es ja vor zehn Jahren schon mal den Versuch gegeben, die Partei zu erneuern. Damals hieß das Bürgerpartei-Kampagne. Das hat ja nicht geklappt. Dieser Anspruch der CDU, auch vielleicht ein bisschen ein Abbild der Gesellschaft im Kleinen zu sein, müsste man vielleicht nicht ein bisschen von diesem Anspruch abrücken, und vielleicht ist die Gesellschaft heutzutage zu diversifiziert. Kann man das nicht so sagen?

Müller-Vogg: Die Gesellschaft war immer diversifiziert. Nur gab es früher gerade für die CDU eine große Klammer, die das alles zusammengebunden hat. In der CDU gab es immer einen Wirtschaftsflügel, es gab einen starken sozialen Flügel und es gab konservative Katholiken, die beispielsweise die Konfessionsschule bewahren wollten. Das waren alles Kämpfe, über die man sich heute gar keine Vorstellung mehr machen kann, um was da gestritten wurde, weil man das gar nicht mehr nachvollziehen kann. Aber die Union hatte die große Klammer, das war einmal das christliche Menschenbild, was heutzutage in einer doch säkularisierten Gesellschaften etwas schwieriger ist, und es gab die Westbindung, weil damals die SPD ja noch in eine andere Richtung zielte, und es war die Frage Kampf gegen den Kommunismus. Da gab es mal Wahlplakate, alle Wege der SPD führen nach Moskau. Das kann man heute beim besten Willen nicht mehr kleben. Durch die Wiedervereinigung und durch die Veränderungen auch der Welt hat sich da einiges verändert, so dass es schwerer ist, die Partei weltanschaulich zu profilieren.

Heinrich: Was wäre da Ihr Mittel der Wahl?

Müller-Vogg: Wenn ich das wüsste, würde ich mich als Parteienberater niederlassen und das der CDU für viel Geld verkaufen.

Heinrich: Offener, moderner, demokratischer - es klang schon an: Die Kommunikation soll auch verstärkt werden. Mehr Mitglieder sollen mitmachen dürfen in der Partei. Herr Vogg, ganz kurz zum Schluss: Sehen wir denn bei der CDU bald internetgesteuerte Mitgliederentscheide?

Müller-Vogg: Das könnte ich mir vorstellen. Ein wichtiger Vorschlag heute ist ja, dass man das Delegiertensystem abschafft auf der Kreisebene, die Mitglieder direkt mitbestimmen lässt. Ich könnte mir vorstellen, dass man viel häufiger dann das Internet einsetzt, um ein Meinungsbild abzufragen. Und ich glaube, wenn die Fragen der Sicherheit, dass keine Wahlfälschungen vorgenommen werden können, wenn die abgeklärt sind, werden wir in der Politik generell und auch in der CDU viel häufiger Abstimmungen per Internet erleben.

Heinrich: Auch über die Kanzlerin?

Müller-Vogg: Da gilt das gleiche wie bei der SPD. Man braucht erst mal zwei Bewerber, um darüber abzustimmen. Und ich sehe bei der CDU keine Gegenkandidatin oder keinen Gegenkandidaten zu Angela Merkel.

Heinrich: Das sagt der Publizist und frühere Mitherausgeber der FAZ, Hugo Müller-Vogg. Herr Müller-Vogg, vielen Dank für das Gespräch!

Müller-Vogg: Gerne!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Interview mit dem Deutschlandfunk zur Parteireform der CDU am 17. August 2015


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