15.08.2015

Nur Verlierer in der Netz-Affäre

Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich. Die Spiegel-Affäre von 1962 und die Ermittlungen gegen den Blog „Netzpolitik.org“ haben so viel miteinander zu tun wie Elefant und Maus. Damals wurde die den Regierenden missliebige Redaktion eines der wichtigsten Medien überwacht, durchsucht und von der Polizei besetzt. Mehrere Redakteure kamen in Untersuchungshaft. Die Affäre erschütterte die junge westdeutsche Demokratie. Verteidigungsminister Franz Josef Strauß musste gehen.

Bei den eingestellten Ermittlungen gegen „Netzpolitik“ ging es nicht „um einen Abgrund an Landesverrat“, wie Konrad Adenauer einst behauptet hatte, sondern um die Frage, ob die Veröffentlichung von Plänen des Verfassungsschutzes zur Überwachung des Internets die innere oder äußere Sicherheit unseres Landes bedroht. Politisch ist zudem brisant war, ob Justizminister Heiko Maas richtig agiert hat, und ob Generalbundesanwalt Harald Range zum „Bauernopfer“ wurde, weil Justiz-, Innenministerium und Verfassungsschutz offenbar völlig unkoordiniert nebeneinander vor sich hin wurstelten.

Nicht zuletzt ging es um die Pressefreiheit und damit um die Demokratie. Denn ohne freie Medien, die den Regierenden kritisch und unbequem gegenübertreten, kann es keinen demokratischen Rechtsstaat geben. Doch selbst für Medien, die sich gerne als „vierte Gewalt“ sehen, gibt es Grenzen: Nicht alle Informationen aus dem staatlichen Sicherheitsbereich dürfen veröffentlicht werden. Um es mit dem früheren Innenminister Otto Schily zu sagen „Geheimes muss geheim bleiben.“ Wer dagegen verstößt – ob Beamter, Bürger oder Journalist – kommt zu Recht mit dem Strafrecht in Konflikt.

Das Unbefriedigende dieses Falls: Wegen der absehbaren Einstellung der Ermittlungen wird kein Gericht jemals feststellen, ob „Netzpolitik.org“ sich des Landesverrats schuldig gemacht hat oder nicht. Ebenso wenig werden wir jemals erfahren, welche Abgeordnete oder Beamte den Blog mit geheimen Informationen versorgt haben. Es bleiben viele Fragen ohne Antwort.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 34 vom 13. August 2015


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Kommentare

Von Walter Bing | 17.08.2015

Das Thema hat ja auch kaum die Bevölkerung berührt. Zu kompliziert. Natürlich auch überlagert von den Hauptthemen.


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