27.06.2015

Lafontaines langer Schatten

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch werden von Oktober an die Linksfraktion anführen. Sie steht für den fundamentalistischen Flügel der Partei, einschließlich der Kommunistischen Plattform, er für die pragmatische „Regierungsfraktion“. Seitdem fragen sich alle: Sind mit dem Aufstieg der kompromisslosen Intellektuellen die rot-rot-grünen Regierungsträume für 2017 ausgeträumt?

Doch gemach. Wenn jetzt ein neuer Bundestag gewählt würde, hätte Rot-Rot-Grün gar keine Mehrheit. Da sich die FDP offenbar erholt und die AfD noch keineswegs abgeschrieben werden kann, könnte es sogar sechs Fraktionen geben und erst recht keine Mehrheit für Rot-Rot-Grün.

Wenn man von der real existierenden Wählerstimmung einmal absieht, passte bei SPD, Grünen und Linken vieles zusammen: Alle wollen höhere Steuern, höhere Sozialleistungen, mehr staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Aber es gibt auch die Außenpolitik. Mit ihrem Nein zur Nato, ihrem Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und ihrem Verständnis für die russische Aggressionspolitik sind die Linken allein.

Nun hatten sich auch die einst als reine Pazifisten gestarteten Grünen als Regierungspartner der SPD zu einer deutschen Beteiligung am Kosovokrieg durchgerungen. Wer regiert, lernt auch das Reagieren auf neue Herausforderungen. Das dürfte einer kühlen Alles-oder-Nichts-Denkerin wie Wagenknecht jedoch sehr schwer fallen. Ihre bisherige Karriere zeigt: Nichts fällt ihr so schwer wie ein Kompromiss.

Dann gibt es da noch ein eher unpolitisches Hindernis für ein Wagenknecht-Ja zu Rot-Rot-Grün. Ihr Ehemann Oskar Lafontaine hat der SPD bis heute nicht verziehen, dass sie vor 15 Jahren dem „neoliberalen“ Gerhard Schröder gefolgt ist und nicht ihm. Seine Sahra auf einer Regierungsbank mit Sigmar Gabriel, das würde Oskar erschrecken – große Teile der SPD umgekehrt auch.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 27/2015 vom 25. Juni 2015


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