27.02.2015

Warum Schäuble der Sieger ist

"Wir lassen die Sparmaßnahmen, das Rettungsprogramm und die Troika hinter uns, " verkündete der griechische Regierungschef Alex Tsipras nach dem Brüsseler Kompromiss, der Athen eine Verschnaufpause von vier Monaten gewährt. So spricht man, wenn man wie ein Sieger aussehen will. In Wirklichkeit hat sich jedoch nicht die rot-bräunliche Athener Regierung, sondern der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble durchgesetzt. Athen kann das Geld der europäischen Steuerzahler nicht nach Belieben zur Finanzierung von Wahlgeschenken verwenden, die Reformen müssen weitergehen. EU, EZB und IWF heißen nicht mehr „Troika“ sondern „Institutionen“, behalten aber die Oberaufsicht.

Schäubles Rolle im jüngsten Euro-Poker: Er spielte bewusst den „Bösen“, der den Griechen die Pistole auf die Brust setzte: Ohne Reformen keine Kredite, basta! Die Kanzlerin gab sich dagegen versöhnlicher. Doch im Grundsatz sind sich Angela Merkel und ihr Finanzminister einig: Griechenland soll im Euro bleiben, aber nicht zum Null-Tarif.

Tsipras hat schwieriges Erbe angetreten: Das Steuerrecht begünstigt die reichen Reeder und Grundbesitzer. Zudem werden die Steuergesetze kaum angewendet. Jetzt hat er Schäuble aufgefordert, ihm 5000 deutsche Steuerfahnder zu schicken. Nicht Steuerbeamte, sondern Steuerfahnder. Berlin ist gut beraten, genau das nicht zu tun. Nach all den üblen Nazi-Vergleichen, mit denen Tsipras‘ sozialistische Syriza Merkel und Schäuble überziehen, kann man sich ausmalen, wie deutsche Steuerfahnder in Griechenland diffamiert würden: als deutsche Steuer-Gestapo.

+++

25 Jahre nach dem Mauerfall haben Wissenschaftler der Universität Halle-Wittenberg das Lebensgefühl der Deutschen untersucht. Sie stießen auf einige sehr positive Befunde: Vier Fünftel der Deutschen sind sich darin einig, dass die Wiedervereinigung für alle ein Gewinn war. 80 Prozent im Westen und 72 Prozent im Osten betrachten die Demokratie als die beste Staatsform für unser Land. Besonders interessant: Der Anteil der Demokratie-Befürworter hat sich in den neuen Ländern seit 2007 mehr als verdoppelt. Ebenfalls ein gutes Zeichen: 65 Prozent der Ostdeutschen sagen, die Chancen für einen persönlichen Aufstieg hätten sich seit 1990 verbessert.

Im sozialen Bereich trauern viele Ostdeutsche, vor allem ältere, noch immer der DDR nach. 56 Prozent meinen, es gehe heute sozial ungerechter zu als vor dem Mauerfall, 48 Prozent glauben, die soziale Absicherung habe sich seitdem verschlechtert. Offenbar sagt viele Menschen eine Situation, in der alle mehr oder weniger gleich arm sind, mehr zu als eine Leistungsgesellschaft mit deutlichen Unterschieden.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 10/2015 vom 26. Februar 2015


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