14.02.2015

Wenn Politiker wechseln …

Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre dürfen bald nicht mehr direkt in die Wirtschaft wechseln. Sie müssen, falls ein Interessenkonflikt droht, eine Karenzzeit von 12 bis 18 Monaten abwarten. Das wird der Bundestag demnächst beschließen.

Der Hintergrund: Wenn Politiker in die Wirtschaft wechseln, wird häufig der Verdacht geäußert, hier versilbere jemand seine Kontakte aus der Zeit als Regierungsmitglied. Bisweilen wird auch unterstellt, Politiker nutzten ihr Amt gezielt zugunsten von Unternehmen oder Branchen und würden anschließend mit einem Job belohnt. Nach 12 oder 18 Monaten, so das Wartezeit-Konzept, wären das Insiderwissen sowie die Kontakte der Ex-Politiker veraltet.

Prominente Job-Wechsler: Gerhard Schröder (SPD) hat als Kanzler mit der Ostsee-Pipeline "Nord-Stream" unsere Abhängigkeit von russischem Gas erhöht. Kaum war er Ex-Kanzler, wurde er u.a. für die russische Gazprom tätig. Ex-Entwicklungshilfe-Minister Dirk Niebel (FDP) ging nach seinem Ausscheiden zum Rüstungskonzern Rheinmetall, Ex-Kanzleramts-Minister Ronald Pofalla (CDU) zur Bahn – jeweils nach einjähriger Pause.

Das aktuellste Beispiel: Katherina Reiche (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium, hat jetzt mit der Politik Schluss gemacht. Im September wird sie Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Kommunaler Unternehmen.

Was oft übersehen wird: Wirtschaft ist nicht gleich Wirtschaft. Wenn die Brandenburgerin Reiche ihre Berliner Kontakte zugunsten der kommunalen Stadtwerke oder Verkehrsbetriebe einsetzt, geht es um öffentliche Daseinsvorsorge, nicht um „Profitinteressen“. Pofalla ging zu einem Unternehmen, das zu 100 Prozent dem Bund gehört. In gewisser Weise bleiben beide im staatlichen Sektor. Das war bei Schröder, Niebel oder dem Daimler-Manager Eckart von Klaeden (Ex-Kanzleramts-Staatssekretär/CDU) anders.

Das Problem: Wenn ein Politiker erst nach einer gewissen Zeit einen anderen Beruf ausüben darf, unterliegt er faktisch einem Arbeitsverbot. Deshalb muss der Staat den Ex-Ministern während ihrer Wartezeit künftig ein Übergangsgeld zahlen. Sie gehen also auf Staatskosten spazieren.

Die gute Absicht: Die Regierung will mit der Karenzzeit „das Vertrauen in die Integrität“ der Spitzenpolitiker nicht beeinträchtigen. Wer jedoch hinter jedem Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft ein schmutziges Geschäft vermutet, stellt alle Politiker unter Generalverdacht.

Übrigens: Journalisten wechseln munter zwischen privaten Medien, Regierungsjobs, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder Parteien. Von Karenzzeit ist da nie die Rede.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 8/2015 vom 12. Februar 2015.


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