10.12.2014

„Mutti“ ist und bleibt bei der CDU der „Herr im Haus“

Der CDU-Parteitag hat die Kanzlerin mit überwältigender Mehrheit als Parteivorsitzende wiedergewählt, den Koalitionspartner SPD scharf attackiert und ansonsten beschlossen, dass Angela Merkel die beste Kanzlerin und die CDU die beste Partei ist. Und das sind die wichtigsten Botschaften von Köln:

Erstens: Die Frage, wer nach Merkel kommt, ist nicht aktuell. Mögen sich andere den Kopf darüber zerbrechen, wer eines Tages ihre Nachfolge antreten könnte: Die Kanzlerin hatte in Köln eindeutig die Bundestagswahl 2017 im Blick. Wie immer wirkte sie bei Ihrer Rede über weite Strecken wie eine regierende Präsidentin. Aber im letzten Drittel schlug sie deutliche Wahlkampftöne an. So redet niemand, der bereits an den politischen Ruhestand denkt.

Zweitens: Merkel kann auch CDU. Auch wenn die "ostdeutsche Protestantin" (Edmund Stoiber) die Partei schon seit 14 Jahren führt, wirkt sie sehr häufig so, als wolle sie mit dem parteipolitischen Klein-Klein nichts zu tun haben. In Köln erlebten die Delegierten dagegen eine kämpferische Parteipolitikerin, die den Koalitionspartner SPD viel härter attackierte, als es sonst ihre Art ist. Man konnte es regelrecht spüren, wie sie damit die Herzen der Basis-Unionisten erreichte.

Drittens: Merkel setzt auf Schwarz-Grün. Dass die CDU-Vorsitzende die in den Umfragen bei zwei Prozent herum dümpelnde FDP zum "natürlichen Koalitionspartner" ausrief, klang nicht sehr überzeugend. Schließlich hat die CDU vor der Bundestagswahl 2013 das Ihre zum parlamentarischen "Aus" der Liberalen beigetragen. Da klang Merkels Bedauern, dass es 2013 nicht mit Schwarz-Grün geklappt habe, ehrlicher – und ihr Lob für den schwarz-grünen Feldversuch in Hessen ebenfalls.

Viertens: Pragmatisches Regieren ist der CDU-Markenkern. Die CDU war nie eine Programmpartei. Der letzte Versuch, die Partei programmatisch deutlich von der Konkurrenz abzugrenzen, war der Leipziger Reform-Parteitag 2003. Seit Merkel jedoch im Kanzleramt sitzt, macht pragmatisches Regieren und solides Verwalten den Kern der CDU-Politik aus. Der Kölner Parteitag hat das unterstrichen.

Fünftens: Die CDU ist ein Merkel-Wahlverein. Helmut Kohl hatte als junger Parteirebell viel getan, um aus dem Honoratioren-Club CDU eine lebendige Volkspartei zu machen. In seiner langen Kanzlerschaft hat sich die CDU dann wieder zum Kanzlerwahlverein zurückentwickelt. Auch unter Merkel ist die Partei nicht sonderlich diskutierfreudig. Als „GAU“ gelten Kampfabstimmungen über Personen und Positionen. Ruhe ist der Delegierten erste Pflicht.

Sechstens: Die Stimmung ist besser als die Lage. Die Union sonnt sich in ihren beeindruckenden 41,5 Prozent vom September 2013, den anhaltend guten Umfragezahlen und Popularitätswerten der Kanzlerin. Gleichwohl stellt die CDU/CSU nur noch in 5 der 16 Länder den Ministerpräsidenten, regiert nur noch in sieben Ländern mit, in einem weniger als die Grünen. Die SPD ist dagegen in 14 Landeskabinetten vertreten und hat 9 Regierungschefs vorzuweisen. Darüber wurde im Parteitags-Plenum nicht gesprochen – dafür umso mehr unter den Delegierten. Da sah man viele betretene Gesichter.

Siebtens: Der Wirtschaftsflügel ist ein Papiertiger. Ob Abbau der "kalten Progression" oder Abschaffung des "Soli" – die Enkel Ludwig Erhards hätten viel zu tun. Aber selbst die Mittelstandsvereinigung, in Partei und Fraktion die mit Abstand stärkste Gruppierung, wagte in Köln nicht einmal einen kleinen Aufstand. Der Kompromiss zum Abbau der heimlichen Steuererhöhungen ist so wachsweich formuliert, dass in dieser Legislaturperiode nichts passieren wird. Die Kanzlerin und ihr Finanzminister haben die Stirn gerunzelt – und die Marktwirtschaftler hat der Mut verlassen.

Achtens: Frauenquote ja, aber nicht bei uns. Die CDU ist im Verein mit der SPD zurzeit dabei, der Wirtschaft eine Frauenquote vorzuschreiben. Die CDU-Delegierten hielten sich bei der Wahl fürs Präsidium freilich nicht an ihre eigene Quote und hielten Gesundheitsminister Hermann Gröhe einfach für qualifizierter als die wenig profilierte Berliner Staatssekretärin Emine Demirbüken-Wegner. Gröhe rettete durch seinen Rücktritt von der Kandidatur die verfahrene Situation. Merke: Die CDU hält in den eigenen Gremien Qualifikation für wichtiger als Quote.

Neuntens: Immer an die AfD denken, nicht davon reden. Ein Gespenst war in den Kölner Messehallen allgegenwärtig: Die Alternative für Deutschland (AfD). Der Kanzlerin war die neue Konkurrenz von rechts keiner Erwähnung wert, auch andere Redner gingen kaum auf die neue Partei ein. Aber unter den Delegierten grassiert die Sorge, falls die AfD sich etablieren sollte, könnte sie zum Steigbügelhalter für Rot-Grün und Rot-Rot-Grün werden Vorerst gilt gegenüber der AfD die CDU-Strategie: bekämpfen und ausgrenzen. So hielt es die SPD früher auch mit den Grünen, bis diese zum Koalitionspartner befördert wurden.

Zehntens: Das Klima in der GroKo wird rauer. Die Bildung der ersten Landesregierung unter Führung eines Linken-Politikers hat der CDU bewusst gemacht, dass Rot-Rot-Grün im Bund 2017 nicht ausgeschlossen ist. Zudem stehen 2016 zwei ganz wichtige Landtagswahlen an: In Rheinland-Pfalz wie in Baden-Württemberg hat die CDU durchaus Chancen, Rot-Grün bzw. Grün-Rot wieder abzulösen. Mit dem Tabu-Bruch von Erfurt und den CDU-Attacken auf die SPD in Köln hat der Wahlmarathon 2017 begonnen.

Erstveröffentlichung: www.theeuropean.de vom 10. Dezember 2014


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Kommentare

Von Walter Bing | 13.12.2014

These 9 ist falsch. Die AfD kann nicht Steigbügelhalter von ROT-GRÜN_ROT werden. Letztere Kombination braucht die Mehrheit. Die CDU kann dann immer noch mit der SPD oder wenn es reicht mit den Grünen koalieren. AfD wählen kann also nie schaden.


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