08.11.2014

Präsident Gauck mischt sich ein

Bundespräsident Joachim Gauck ist – wieder einmal – angeeckt. Mit Blick auf Thüringen, wo Die Linke bald einen rot-rot-grüne Regierung anführen will, fragte der Bundespräsident: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“ Er stellte aber auch fest: „Wir sind in einer Demokratie. Wir respektieren die Wahlentscheidungen der Menschen.“

Nach der Bundestagswahl 2013 hatte Gauck für eine andere Partei ebenfalls deutliche Worte gefunden. Mit Blick auf die AfD meinte er, viele Länder hätten populistische Parteien im Parlament: "Wir nicht! Darüber bin ich sehr dankbar". In beiden Fällen bezog das Staatsoberhaupt klar Stellung. Die Resonanz fiel aber sehr unterschiedlich aus. Für seine kritischen Anmerkungen zur AfD wurde er überall gelobt. Jetzt werfen Vertreter von SPD und Grünen, den Bündnispartnern der Linkspartei, dem Bundespräsidenten vor, er verletzte seine Pflicht zur parteipolitischen Neutralität.

Offenbar ist es hierzulande so: Wer Rechtspopulisten wie die AfD kritisiert, bekommt Applaus. Wer beim Blick nach ganz links feststellt, dass in der Linke noch immer SED-Genossen und Stasi-IMs aktiv sind, muss dagegen mit Widerspruch rechnen. Ein typischer Fall von deutscher Doppelmoral.

Wie Recht Gauck mit seinen Bemerkungen zur AfD hatte, stellt diese derzeit selber unter Beweis. Es wird immer deutlicher, dass die AfD viele Menschen in ihren Reihen hat, die rechtsextrem, antisemitisch und ausländerfeindlich sind, dass manche Mandatsträger auf kommunaler Ebene gemeinsame Sache mit der NPD machen oder dass AfD-Verbände Verschwörungstheoretiker, die die Demokratie als „Pöbelherrschaft“ verunglimpfen, als Redner einladen.

Dem früheren Industriepräsidenten Hans-Olaf Henkel, der für die AfD im Europaparlament sitzt, ist jetzt der Kragen geplatzt. In mehreren Interviews bekannte er, „ich schäme mich in Grund und Boden“. Er kritisiert, in der AfD gebe es „sehr laute Karrieristen, Rechtspopulisten und Querulanten“, er geißelt die „Unvernünftigen, Unanständigen und Intoleranten“ unter seinen Partei-„Freunden“. Alexander Gauland, AfD-Vize und Fraktionschef in Brandenburg schoss zurück: „Wenn jemand sagt, dass er sich für die Partei schämt, dann muss er die Partei verlassen.“

In der AfD tobt ein heftiger Machtkampf. Ein Teil ihrer führenden Köpfe sehen die AfD als bürgerliche Partei, die in gewisser Weise das Erbe der „sozialdemokratisierten“ CDU antreten möchte. Ein anderer Teil versteht die Partei als Sammelbecken von Protestwählern. Wer gegen den Euro und gegen Ausländer ist, ist ebenso willkommen wie die Putin-Versteher und Amerika-Hasser – Hauptsache, er macht sein Kreuz an der richtigen Stelle.

Die Dankbarkeit des Bundespräsidenten, dass diese Partei nicht im Bundestag sitzt, kann man also durchaus verstehen. Ob und inwieweit sein Misstrauen gegenüber der Linkspartei berechtigt ist, werden wir auch noch erfahren.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 46/2014 vom 6. November


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