06.09.2014

Was von Klaus Wowereit bleibt

Berlin ohne Klaus Wowereit, das kann man sich eigentlich noch nicht so recht vorstellen. Der Mann hat als "Regierender" seit 2001 das Berlin-Gefühl verkörpert wie kein zweiter: mal locker und mal frech, mal wurstig und mal überheblich, harter Arbeiter und Partymeister zugleich. Jetzt tritt er zurück - nicht ganz freiwillig, aber noch rechtzeitig genug, um es als seine eigene Entscheidung darstellen zu können. Nein, er ist nicht vom Hof gejagt worden. Aber der linke Flügel der eigenenPartei hat dafür gesorgt, dass dieser "Hof" aus Wowereits Sicht zum unangenehmen Ort wurde.

Was bleibt? Wowereit hat Berlin verändert. Er hat in den ersten Jahren seiner Regierungszeit ein hartes Sanierungsprogramm durchgesetzt, hat den aufgeblähten öffentlichen Dienst verkleinert, hat Berlin als "Place to be" bestens vermarktet, als Ort, an dem man sein muss. Dass Berlin heute weltweit als eine der attraktivsten Metropolen gilt, dass trotz aller Sparmaßnahmen kein Opernhaus geschlossen wurde, hat es vor allem Klaus Wowereit zu verdanken.

Wowereit hat auch die politische Landschaft verändert. Er hat ausgerechnet in der "Frontstadt Berlin" die PDS regierungsfähig gemacht. Da galt nur ein Prinzip: Wer mir zu Macht verhilft, ist mein Freund - Basta!

Andere Herausforderungen hat er dagegen nicht gemeistert, und das gilt nicht nur für das Flughafen-Desaster: Der öffentliche Nahverkehr ist bei weitem nicht so leistungsfähig, wie er sein müsste. Bei Schnee und Eis ist Berlin sofort unpassierbar. Die wirtschaftliche Basis der Hauptstadt ist und bleibt, trotz einiger Fortschritte, zu schmal - und Berlin damit Kostgänger des Bundes.

Das ist - alles in allem - keine strahlende Bilanz, aber eine solide. Doch liefert der Rückzug des einstigen "Sunnyboys" der SPD und potentiellen Kanzlerkandidaten - über Berlin hinaus - einige Lektionen über das politische Geschäft.

Lektion Nummer 1: Die "Haltbarkeit" von Spitzenpolitikern wird immer kürzer. Mit mehr als 13 Jahren ist Klaus Wowereit der dienstälteste aller Ministerpräsidenten. Von den anderen Regierungschefs dürfte es keiner so lange schaffen. Das launische Publikum will in gewissen Abständen neue Gesichter sehen, verlangt Abwechslung. Dass Wowereit laut Umfragen der unbeliebteste aller Berlin-Politiker ist, belegt das - auch wenn es seiner Gesamtleistung nicht gerecht wird.

Lektion Nummer 2: Kaum ein Politiker schafft den Absprung zum richtigen Zeitpunkt. Spitzenpolitiker halten sich für unersetzlich und unverwundbar. Sie meinen, weder das Volk noch die Partei könnten oder wollten auf sie verzichten. Einheitskanzler Helmut Kohl wollte nicht glauben, dass seine Zeit nach 16 Jahren vorbei war. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck glaubte, er könne nach siebzehnjähriger Amtszeit alle seine Pannen und Affären einfach aussitzen. Sie hatten sich getäuscht - wie jetzt Wowereit.

Lektion Nummer 3: Politiker sprechen gerne von "politischer Verantwortung", aber sie übernehmen sie nicht. Klaus Wowereit war weder der Architekt noch der Bauleiter des neuen Großflughafens. Aber er ist verantwortlich dafür, dass das Projekt nicht an einen erfahrenen Generalunternehmer übertragen und der Aufsichtsrat nicht mit Experten besetzt wurde. Berlin und Potsdam wollten den BER alleine stemmen. Das Ergebnis ist bekannt. Doch Wowereit tat so, als habe er damit nichts zu tun. Wenn er 2012/2013 zurückgetreten wäre, wäre sein Ruf heute besser.

Lektion Nummer 4: Wer ein Land führen will, muss zugleich an der Spitze seiner Partei stehen. So kann er seine Macht am besten absichern. Wowereit hatte darauf gebaut, sein treuer Gefolgsmann Michael Müller könne die Partei auf Kurs halten. Das hat aber nicht funktioniert, weil die Wowereit-Kritiker unter den Genossen sich an Müller abarbeiten konnten und es nicht direkt mit Wowereit anlegen mussten. So begann mit dem Sturz Müllers im Frühjahr 2012 der Niedergang Wowereits.

Lektion Nummer 5: Politik besteht immer weniger darin, Mehrheiten für das eigene Konzept zu gewinnen. Die Politiker müssen immer mehr Zeit und Kraft darauf verwenden, die Bürger davon zu überzeugen, das Stillstand zwar bequem, aber auch gefährlich ist. Dass die Berliner und Berlinerinnen Wowereits Ziel, auf dem Tempelhofer Feld erschwingliche Wohnungen zu bauen, in einem Volksentscheid durchfallen ließen, sagt viel über die keineswegs auf Berlin beschränkte Befindlichkeit: Mir geht es gut und deshalb Hände weg von meinem Kiez. Da macht Regieren kaum noch Spaß.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 37/2014 vom 4. September


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