23.08.2014

Sich nur zu empören, reicht nicht

Die brandgefährliche Lage in der Ostukraine, der Völkermord an Jesiden und Christen im Irak, der Terror der syrischen Regierung gegen das eigene Volk: Ein Blick auf die Krisenherde der Welt erinnert uns daran, wie gut es uns geht. Fragen nach der Abschaffung der „kalte Progression“ oder der Ausdehnung der „Mütterrente“ auf Beamtinnen sind demgegenüber belanglos.

Die Bilder der von fanatischen islamistischen Mörderbanden belagerten Jesiden auf dem „Berg der Hölle“ im Norden Iraks haben im vergleichsweise idyllischen Deutschland etwas ausgelöst: ein Nachdenken über unsere Verantwortung in der Welt. Das ungeschriebene Gesetz, wonach die Bundesrepublik sich aus den Kriegen dieser Welt herauszuhalten habe, sofern sie nicht als Nato-Mitglied zum Eingreifen verpflichtet ist, gerät ins Wanken.

Die Bundeswehr hat den Kurden, die sich im Irak gegen die sich „Islamischer Staat“ nennenden Terroristen wehren, blitzschnell geholfen, mit Hilfsgütern wie Lebensmitteln und Medikamenten. Waffen wurden nicht geliefert. Doch mehren sich in allen Parteien die Stimmen, Deutschland könne einem Völkermord nicht tatenlos zusehen. Das würde im konkreten Fall bedeuten: Waffen für die Kurden.

Wir haben es uns bisher einfach gemacht: Wenn es irgendwo auf der Welt brannte, waren die Amerikaner gefragt, ebenso die Franzosen und die Briten. Wir Deutsche haben dann gerne darauf verwiesen, dass wir uns wegen unserer unseligen Nazi-Vergangenheit zurückhalten müssten. So zu argumentieren ist legitim – aber auch bequem.

Die Maxime, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen darf, ist und bleibt richtig. Wer aber bei Völkermord tatenlos zu- oder gar wegsieht, fördert Aggression und Terror. Die Bundesrepublik allein kann und soll nicht die Welt retten. Aber sich nur zu empören, reicht nicht mehr aus. Deshalb ist das Nachdenken über Waffenlieferungen in den Irak kein Tabu mehr – nicht einmal mehr in der Linkspartei.

Ein Land scheint sich für den Terror des „Islamischen Staats“ überhaupt nicht zu interessieren: Russland. Das ist vollauf mit einem doppelten Spiel beschäftigt: in der Ostukraine den Feldzug der Separatisten tatkräftig zu unterstützen und zugleich Hilfe für die unter dem Krieg leidende Bevölkerung zu organisieren.

Präsident Putin, ein Meister der „Agitprop“, ließ einen Konvoi von fast 300 weißen Lkws auffahren – Weiß, die Farbe der Unschuld. Dass ein Teil der imposanten Flotte nur spärlich beladen ist, steht auf einem anderen Blatt. Putin kommt es auf die Optik an. Dabei könnte Putin den Menschen in der Ukraine viel wirkungsvoller helfen: Er müsste nur jede Unterstützung der Separatisten einstellen und ihre russischen Helfer abziehen. Wenn er wirklich helfen wollte.

Erstveröffentlichung: SUPERillu Nr. 35/2014 vom 21. August.

(Der Redaktionsschluss lag vor dem Beschluss der Bundesregierung vom 20. August, Waffen an die Kurden zu liefern.)


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